Düsseldorf/Berlin. SPD-Landeschef Thomas Kutschaty fordert ein schnelles „Sonderimpfprogramm“ für Jugendliche in NRW. Experten der “Stiko“ sind skeptisch.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) wehrt sich gegen den zunehmenden politischen Druck, von ihren Empfehlungen zur Impfung von Kindern und Jugendlichen abzurücken und mehr Immunisierungen von Kindern ab zwölf Jahren zu ermöglichen. SPD-Chefin Saskia Esken hatte dies mit Blick auf die niedrige Impfquote von Jüngeren gefordert. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte: „Die Stiko sollte dringend überlegen, wann sie das Impfen von Jugendlichen empfiehlt.“

Am Montag schaltete sich NRW-SPD-Chef Thomas Kutschaty ein. Er forderte von der Landesregierung ein sofortiges flächendeckendes „Sonderimpfprogramm“ für Kinder ab zwölf Jahren. Vorbild sei der Kreis Gütersloh, in dem Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren zuletzt Sonder-Impfungen angeboten wurden. Kutschaty wollte sich zwar nicht in die Bewertungen der Stiko einmischen, hält es aber für „durchaus sinnvoll“, nach dem Abwägen von Nutzen und Risiken auch Kinder zu impfen.

Die Verfügbarkeit von Impfstoffen verbessert sich in NRW nun offenbar von Woche zu Woche.

Angst vor Unterrichtsausfall und infizierten Reise-Rückkehrern

Die Angst vor Unterrichtsausfall nach den Ferien und die Sorge, dass Reiserückkehrer die Delta-Virusvariante nach Deutschland tragen könnten, befeuern den politischen Wunsch, mehr junge Menschen zu immunisieren. In Spanien und England steigen die Inzidenzwerte deutlich.

Die Stiko sieht aber keine Veranlassung, ihren Kurs zu korrigieren. Sie nehme die Forderungen der Politik wahr, erklärte Stiko-Mitglied Martin Terhardt. Die bisher verfügbaren Daten lieferten aber noch keine ausreichenden Beweise für die Sicherheit des Impfstoffs von Biontech/Pfizer in dieser Altersgruppe.

Die Expertenkommission hat bisher keine generelle Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren ausgesprochen. Sie empfiehlt Impfungen nur für 12- bis 17-Jährige mit bestimmten Vorerkrankungen. Das Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung für diese Altersgruppe sei gering.

Kinderärzte-Verband: Besser an der Stiko orientieren, nicht an der Politik

Dr. Herbert Schade aus dem Vorstand des Verbandes der Kinder- und Jugendärzte Nordrhein, erinnerte gegenüber dieser Redaktion daran, dass sich Eltern, Kinder über zwölf Jahren und Ärzte jetzt schon auf eine Impfung einigen könnten. Generell hielten es die Mediziner aber für sinnvoll, sich an den Empfehlungen der „neutralen Institution Stiko“ zu orientieren und nicht an der Politik.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, forderte unterdessen das Ende aller Corona-Maßnahmen für vollständig Geimpfte. „Spätestens September wird für jeden Impf-Willigen ein Impfangebot verfügbar sein, dann müssen eigentlich nahezu alle Corona-Maßnahmen weg“, sagte er zu „Bild“. (mit dpa)