Düsseldorf. Bislang wurden WhatsApp-Chats juristisch wie private Räume betrachtet. Jetzt soll die Strafverfolgung deutlich erleichtert werden.

Die Justizminister der Länder ziehen weitere Konsequenzen aus dem Skandal um rechtsextreme Chats im Verantwortungsbereich des Polizeipräsidiums Essen/Mülheim. Die Verbreitung strafbarer Fotos und Texte soll auch in geschlossenen Gruppen von Messengerdiensten wie WhatsApp künftig leichter zu ahnden sein. Man halte es für erforderlich, diesen „als Foren für die Weiterleitung inkriminierter Inhalte mit den Mitteln des Strafrechts nachdrücklich entgegenzutreten“, heißt es in einem Beschluss der Justizminister-Konferenz vom Donnerstag. Die Bundesregierung solle hierfür einen Regelungsvorschlag erarbeiten.

„Für mich ist es ein großes Ärgernis, dass Menschen, die sich in einem überschaubaren Kreis zu einer Chatgruppe zusammenfinden, dort untereinander verschicken können, was sie wollen“, sagte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU), der die Initiative nach den Erfahrungen im Essener Polizeipräsidium auf den Weg gebracht hatte.

Bislang werden Chats als private Räume betrachtet

Das juristische Problem: Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung setzt das strafbare „Verbreiten“ etwa von Neonazi-Fotos ein Mindestmaß an Öffentlichkeit voraus.  Wie in der analogen Zeit der Flugblätter muss es sich um eine nachweislich nicht mehr kontrollierbare Verbreitung der strafbaren Schriften handeln. Wenn sich aber Polizisten in einem geschlossenen privaten Kegelgruppen-Chat Hakenkreuze hin und her schicken, ist das bislang schwer zu belangen. Grob gesprochen: Es wird gewertet wie ein Telefongespräch.

Seit dem vergangenen Jahr ermitteln die NRW-Behörden gegen Dutzende Kommissare, die aktiv oder passiv am Austausch etwa von Fotos mit aus Dienstmunition gelegten Hakenkreuzen oder Weihnachtskugeln mit SS-Runen beteiligt waren. Eine Verurteilung oder Entfernung aus dem Dienst der betreffenden Beamten ist jedoch meist nur dann möglich, wenn andere Straftaten wie Körperverletzung im Amt hinzukommen.

Mit einem Wisch sind inkriminierte Inhalte weiterverbreitet

Das will Justizminister Biesenbach jetzt ändern. Es müsse endlich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass man strafbare Inhalte heute nicht mehr physisch zum Empfänger bringen muss, sondern mit einem Klick oder Wischen auf dem Smartphone viel schneller weiterverbreiten kann. „Kein Mitglied einer solchen Chatgruppe weiß, ob nicht doch einer diese Informationen weitergibt“, so Biesenbach. Es sei vor allem bei Amtsträgern, auf deren Verfassungstreue man baue, nicht länger hinnehmbar, wenn sie strafbare Hassbotschaften verbreiten könnten und sich über die Machtlosigkeit des Staates „totlachen“.

Die Fälle in Essen/Mülheim sind nur zufällig aufgeflogen. Intern war gegen einen Polizisten wegen des Verdachts des Geheimnisverrats an die Presse ermittelt worden. Bei der Überprüfung seiner Mobiltelefone war man auf die rechtsextremen Chats gestoßen, an der große Teile einer Dienstgruppe in Mülheim beteiligt waren.

Grüne fordern einen breiteren Ansatz bei der Polizei

„Es geht am Ende in der digitalen Welt darum, den Ermittlern mehr Möglichkeiten in die Hand zu geben, um diese Ermittlungen zu führen, die Täter zu kriegen und die Opfer zu schützen“, sagte Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) mit Blick auf den Kampf gegen Antisemitismus und Hass in geschlossenen Chatgruppen.

Grünen-Fraktionschefin Verena Schäfer begrüßte die Initiative der Justizminister, forderte aber zugleich einen breiteren Ansatz: „Die Verschärfung des Strafrechts allein löst die Problematik aber nicht. Wir brauchen ein Maßnahmenpaket, um rassistischen und menschenverachtenden Einstellungen in Behörden entgegenzutreten und die große Mehrheit der Beschäftigten zu stärken, die für unsere Demokratie einstehen.“

Dazu gehörten verpflichtende Fortbildungen, Beratung für die Beschäftigten sowie Rotation in den Sicherheitsbehörden. In eine ähnliche Richtung zielt auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), der seit Monaten persönlich bei der mittleren Führungsebene der Polizei für ein Ende falsch verstandenen Korpsgeist wirbt.