Düsseldorf. Laschets Landesregierung setzt beim Islamunterrichts an NRW-Schulen auf einen problematischen Partner. Die Kritik reißt nicht ab.
Die geplante Beteiligung des türkischen Moscheeverbandes Ditib an der künftigen Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts bringt die schwarz-gelbe Landesregierung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) unter immer größeren Rechtfertigungsdruck. Nach offenem Protest der Jugendorganisationen beider Regierungsparteien, Junge Union und Junge Liberale, rumort es nun auch in der CDU-Landtagsfraktion.
Nach Informationen unserer Redaktion hat Fraktionschef Bodo Löttgen aktuell Mühe, seine Abgeordneten nach außen auf eine gemeinsame „Sprachregelung“ zu verpflichten. Es sei schwer zu vermitteln, dass Laschet einerseits im Nahost-Konflikt den entschiedenen Vorkämpfer gegen Antisemitismus gebe und gleichzeitig „den Arm Erdogans in die nordrhein-westfälischen Klassenzimmer greifen“ lasse, heißt es intern.
Regierungsfraktionen blieben offenbar außen vor
Die Wiederaufnahme der Kooperation des Landes mit der Ditib sei nicht mit den Regierungsfraktionen rückgekoppelt worden, beklagen Abgeordnete. Es wird bezweifelt, dass eine jüngst vorgenommene Satzungsänderung etwas an der finanziellen, organisatorischen und politischen Abhängigkeit von Ankara ändere. Der Vorsitzende des Innenausschusses, Daniel Sieveke (CDU), hatte zuletzt sogar öffentlich Klärung eingefordert, „wie sich Ditib zu den antisemitischen Aussagen des türkischen Staatspräsidenten oder zur Terror-Organisation Hamas verhält, die bekanntlich von der Türkei unterstützt wird“.
Die Ditib soll als einer von sechs Verbänden in einer neuen Kommission vertreten sein, die den islamischen Religionsunterricht inhaltlich konzipiert und die Lehrerlaubnis an Pädagogen vergibt. Das FDP-geführte Schulministerium verweist darauf, dass sich die Ditib von Spitzelvorwürfen und antisemitischen Ausfällen in einzelnen Gemeinden deutlich distanziert und zugesagt habe, „dass sich Ähnliches nicht wiederholt“. Der Verband sei deutlich darauf hingewiesen worden, „dass der Schutz und damit auch Datenschutz der Lehrkräfte ein wesentlicher Faktor in der Bewertung der Zusammenarbeit ist“.
"Mit er Ditib holt man sich den Fuchs in den Hühnerstall"
Anerkennung fand beim Land offenbar auch die konstruktive Rolle der Ditib in der Corona-Pandemie. Beim Werben um Abstands- und Hygieneregeln und Impfbereitschaft in den Moscheegemeinden sei der Verband eine wichtige Stütze gewesen.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel hält das Vorgehen der Landesregierung dennoch für naiv: „Mit der Ditib holt man sich den Fuchs in den Hühnerstall. Über die Ditib hat die Türkei - und insbesondere Erdogan - einen direkten Einfluss auf den Islamunterricht in Deutschland und damit auch Zugang zu unseren Schülerinnen und Schülern.“
Die Befürworter der Ditib-Zusammenarbeit in der Koalition argumentieren hingegen mit der Größe des Verbandes. „Um eine große Akzeptanz für den islamischen Religionsunterricht zu schaffen, ist es wichtig, eine möglichst breite Basis zu schaffen. Der Ditib Landesverband NRW hat die formalen Voraussetzungen für die Mitarbeit in der Kommission durch eine Veränderung der Satzung erfüllt“, erklärte FDP-Schulexpertin Franziska Müller-Rech auf Anfrage. Innenminister Herbert Reul (CDU) schlug gegenüber „Bild“ in die gleiche Kerbe: „Einerseits ist Ditib alles andere als eine Organisation, die ich positiv finde. Andererseits ist es die größte.“
Der liberal-islamische Bund war dem Land angeblich zu klein
Der liberal-islamische Bund konnte angeblich wegen seiner fehlenden Größe nicht Mitglied der Kommission für den Religionsunterricht werden. Kritiker verweisen allerdings auf die Praxis in Hessen, wo Eltern ihre Kinder trotz der dortigen Nicht-Berücksichtigung der Ditib weiter in den Bekenntnisunterricht schickten. Laschets Staatskanzlei lasse sich von der angeblichen Wirkungsmacht der tonangebenden konservativen Verbände in der muslimischen Gemeinschaft blenden.
Aktuell erhalten in NRW rund 22.000 Schüler an 260 Schulen von etwa 300 Lehrern islamischen Bekenntnisunterricht. Landesweit gibt es knapp eine halbe Million Schüler muslimischen Glaubens. Die neue Kommission ersetzt einen achtköpfigen Beirat, der seit 2012 den Aufbau des islamischen Religionsunterrichts in NRW möglich gemacht hatte. Darin waren die vier großen Islamverbände ebenso vertreten wie Experten, die von der Landesregierung benannt wurden. Für den Islam gibt es keine vergleichbare einheitliche Vertretung wie die christlichen Kirchen, mit der Religionsunterricht in staatlichen Schulen erarbeitet werden könnte.