Essen. Seit Montag gilt an Schulen eine Testpflicht. Eltern halten das Verfahren für untauglich, die GEW schließt Distanzunterricht für Verweigerer aus

Die Kritik an den Corona-Selbsttest für Schüler reißt nicht ab. Die Landeselternschaft der Grundschulen in NRW berichtet von einer Flut von Anrufen verärgerter Eltern, die die Stäbchen-Tests für grundschuluntauglich halten und die Handhabung massiv kritisierten.

„In 16 Jahren bei der Landeselternschaft habe ich so etwas noch nicht erlebt“, sagt Birgit Völxen von der Landeselternschaft über das hohe Anrufaufkommen. Die psychische Belastung der Kinder sei groß, die Handhabung für sie oft gruselig und der Datenschutz sei nicht gegeben. „Die Botschaft der Eltern ist ganz klar: So geht das einfach nicht.“

Eltern berichten von erheblichen Problemen mit den Selbsttests

Seit Montag herrscht eine Testpflicht an den Schulen in NRW. Zwar sind derzeit nur Abschlussklassen an den Schulen, während alle anderen Schüler im Distanzunterricht sind. Doch auch Kinder in der Notbetreuung müssen sich zweimal in der Woche selbst auf eine Corona-Infektion testen. Das habe schon am ersten Tag für massive Probleme gesorgt, berichten Eltern von Grund- und Förderschülern: An einigen Schulen fehlten Tests, an anderen Schulen waren Kinder mit dem Testverfahren so überfordert, dass Betreuer helfen mussten – und angeniest wurden.

„Ein Selbsttest umfasst bis zu 17 Schritte, das können die Kinder nicht allein machen“, sagt Völxen. Die Tests seien nicht grundschultauglich und böten damit keine Sicherheit. Auch empfänden einige Grundschüler die Tests als so unangenehm, dass sie regelrecht verängstigt seien und den Weg in die Notbetreuung verweigerten.

„Wir brauchen eine Alternative“, schlussfolgert Völxen. Die Grundschuleltern fordern Testmöglichkeiten vor den Schulgebäuden, Unterstützung durch Profis und in letzter Konsequenz Alternativen zum Stäbchen.

Lehrergewerkschaft: Testverweigerer können nicht auf Distanz unterrichtet werden

Auch die Lehrergewerkschaft GEW fordert von der Landesregierung deutliche Nachjustierungen bei der Testpflicht in den Schulen. Die ersten beiden Tage Präsenzunterricht für die Abschlussklassen seien eine „einzige Katastrophe“ gewesen, klagte die Landesvorsitzende Maike Finnern. Bereits jetzt sei deutlich, dass es die Lehrer überfordere, die Tests in den Klassenzimmern vorzubereiten und zu beaufsichtigen, zudem halte sie das Infektionsrisiko für zu hoch: „Dazu braucht man gesonderte Räume und geschultes Personal.“

Maike Finnern, Vorsitzende der GEW in NRW.
Maike Finnern, Vorsitzende der GEW in NRW. © FUNKE Foto Services | Lukas Schulze

Finnern hält es mangels Personals für „völlig ausgeschlossen“, dass Schüler, die einen Test verweigern, im Distanzunterricht betreut werden können, wie es das Ministerium vorschreibt. „Wenn diese Schüler nach Hause gehen, haben sie kein Anrecht auf einen vollen Distanzunterricht“, so die GEW-Landesvorsitzende. Schließlich gebe es laut Schulgesetz auch für die Schüler eine Mitwirkungspflicht, die ihres Erachtens die Mitwirkung an der Testkampagne einschließe.

Ein Problem sei außerdem, dass es nur eine sehr begrenzte Zahl von Tests gebe, so Finnern weiter. Da meistens nur ein Test je Schüler vorhanden sei, ziehe auch ein ungültiges Testergebnis ein Betretungsverbot für die Schule nach sich. „Das Ministerium muss bei der Test-Strategie dringend nachbessern“, fordert die Gewerkschafterin.

Eltern: Förderschulen nutzen Chance auf Testung zu Hause nicht

Besonders schwierig ist die Situation offenbar für Kinder, die Förderschulen besuchen. In der aktuellen Corona-Betreuungsverordnung ermöglicht das Land NRW Schulleitern zwar ausdrücklich, dass sich Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf zu Hause unter elterlicher Aufsicht testen können. Doch nicht allen Förderschulen passt dieses Vorgehen, wie Eva-Maria Thoms vom Verein „Mittendrin“ für inklusive Bildung in NRW berichtet.

„Einige Schulen rufen die Eltern aktiv an und raten ihnen, ihre Kinder gar nicht erst zu bringen“, sagt die Vorsitzende. „Es macht mich immer wieder sprachlos, mit welcher Leichtigkeit hier das Recht auf Bildung und Teilhabe ausgehebelt wird.“

Sie kritisiert, dass die häusliche Testung gerade für Kinder mit Förderbedarf eine gute Alternative sei. „Ein mehrfach behindertes Kind, das traumatisch auf medizinische Eingriffe reagiert, wird eine Testung in der Schule kaum mitmachen. Zu Hause weiß die Mutter aber, wie es gehen könnte.“

Gruppen-Kits erschweren das Testen

Tanja Speckenbach, Vorsitzende der Landeselternschaft der Förderschulen mit Schwerpunkt geistige Entwicklung meint, dass das Land NRW es den Schulen zudem erschwere, Eltern die häusliche Testung zu ermöglichen. Anders als erwartet erhielten die Schulen Gruppentests, die sich nicht ohne Weiteres auf die einzelnen Kinder aufteilen ließe.

SPD-Fraktionsvize Jochen Ott hält diese Gruppen-Kits für zehn Einzeltests auch im Schulalltag für „höchst unpraktikabel“, weil Lehrkräfte vor Ort für jeden einzelnen Test Hand anlegen und umfüllen müssten. Das NRW-Innenministerium, das die Tests bestellt hat, teilte der Nachrichtenagentur dpa mit, dass über die Art und Handhabung der Schnelltests frühzeitig und transparent in Schulmails informiert worden sei.