Düsseldorf. Thomas Kutschaty steigt zur uneingeschränkten Führungsfigur der NRW-SPD auf. Partei- und Fraktionsvorsitz liegen jetzt in einer Hand.

Mit einer Mutmach-Rede überzeugte Thomas Kutschaty am Samstag den digitalen Landesparteitag der NRW-SPD. Der 52-jährige Essener erhielt 400 von 442 Stimmen und damit eine Zustimmung von 90,5 Prozent. „Die Zukunft gehört den Mutigen, nicht den Angstmachern“, sagte der neue starke Mann im größten SPD-Landesverband am Ende seiner Bewerbungsrede. Die digitale Wahl muss aus juristischen Gründen noch mit einer Briefwahl bestätigt werden. Das Ergebnis wird am 15. März bekannt gegeben.

Die Delegierten zogen mit Kutschatys Wahl einen Schlussstrich unter die Personalquerelen der vergangenen Monate. Das Motto des Parteitags – „startklar“ -- sollte signalisieren, dass die SPD wieder nach vorne kommen möchte. Partei- und Landtagsfraktionsvorsitz liegen ab sofort in einer Hand. Thomas Kutschaty ist daher die konkurrenzlose Führungsfigur der NRW-SPD, allerdings schon der dritte Vorsitzende seit der verlorenen Landtagswahl 2017. Er wird die Partei als Spitzenkandidat in die Landtagswahl 2022 führen. SPD-Bundesvorsitzender Norbert Walter-Borjans wertete das gute Wahlergebnis von Kutschaty als Beweis für Geschlossenheit seiner Partei in NRW.

Klassische SPD-Themen plus Klimaschutz

Der neue Landespartei-Vorsitzende schlug eine Brücke zwischen klassischen sozialdemokratischen Themen wie gerechte Löhne, sichere Jobs, bezahlbares Wohnen, Zukunftschancen für alle Kinder sowie Gleichberechtigung von Männern und Frauen und einem klaren Bekenntnis zu Klimaschutz und Ökologie. Diese Umweltthemen müssten aber sozialdemokratisch interpretiert werden, damit nicht am Ende jene, die nur geringe Einkommen haben, dafür zur Kasse gebeten würden.

Das Umfragetief von zuletzt 17 Prozent in NRW habe die Partei „tief getroffen“, räumte Kutschaty ein. Er habe aber einen „Plan“, wie es wieder besser werde mit der Sozialdemokratie. Teil dieses Plans: In den kommenden Wahlkämpfen müsse die SPD wieder viel intensiver direkt mit den Bürgern reden. Die Überschrift dafür lautet: „100.000 Kontakte“.

Ex-Kutschaty-Rivale Sebastian Hartmann ermahnte die SPD zu Einigkeit

Kutschatys früherer Rivale und bisheriger NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann, der nicht wieder für ein Vorstandsamt kandidierte, ermahnte seine Partei, in schwieriger Zeit Einigkeit zu zeigen. In der Umbruchphase, in der sich die NRW-SPD gerade befinde, könne niemand „Wunderheiler sein oder Wunder versprechen“.

Hartmann blickte trotz des Machtkampfes mit Kutschaty und diverser Anfeindungen aus der Partei zufrieden auf seine Arbeit als SPD-Landeschef zurück, weil er viel zur programmatischen Neuausrichtung der Partei („Rot pur“) beigetragen habe. „Das Fundament steht, die Pfeiler tragen, nun muss das Gebäude errichtet werden“, sagte der 43-jährige Bundestagsabgeordnete aus dem Rhein-Sieg-Kreis.

Zu stellvertretenden Vorsitzenden wurden erneut Marc Herter (Hamm), Elvan Korkmaz (Gütersloh), Veith Lemmen (Werther), Sören Link (Duisburg) und Dörte Schall (Bonn) gewählt. Generalsekretärin bleibt Nadja Lüders (Dortmund), Schatzmeister André Stinka (Dülmen)

Nachgefragt: Kurzinterview mit Thomas Kutschaty:

Herr Kutschaty, die NRW-SPD steckt im Umfragetief von 17 Prozent. Wie wollen Sie da raus?

Kutschaty: Die Zahl hat uns getroffen. Ich habe offen gesagt: Wir müssen reden und uns fragen, für wen wir Wahlen gewinnen wollen. Mein Ergebnis von 90,5 Prozent zeigt, dass die Partei geschlossen ist, und dass wir nicht mehr in die Vergangenheit zurückblicken. Wir wollen Vertrauen gewinnen. Wenn wir das mit Leidenschaft angehen, spüren die Menschen das. Unser Leitmotiv ist: „Aus Hoffnungen Wirklichkeit machen“.

Ist das der Ersatz für das Motto „Kein Kind zurücklassen“?

Kutschaty: Für ein Wahlkampfmotto ist es noch zu früh, aber das Motiv gefällt mir schon sehr gut. Kinder und Familien sind für uns entscheidend. Kinder müssen im Leben mit Fleiß und Talent werden können, was sie möchten. Egal, in welchem Stadtteil sie wohnen.

Wie wollen Sie bekannter werden?

Kutschaty: Laut einer aktuellen Umfrage kennt mich jeder Zweite in NRW. Armin Laschet hatte in der Opposition eineinhalb Jahre vor der Wahl auch keine besseren Werte. Aber es geht noch mehr. Wir suchen daher jetzt intensiv den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Sie meinen das „Projekt 100.000 Kontakte“?

Kutschaty: Genau. Ich kann als Vorsitzender nicht nur von Düsseldorf aus am grünen Tisch Kampagnen planen. Dazu braucht die SPD ihre motivierten Mitglieder, und ich möchte, dass jedes Mitglied Kontakt aufnimmt zur Nachbarschaft, bei der Arbeit, in Geschäften und Schulen. Wir müssen überall präsent sein.