Düsseldorf.. Trotz glänzender Umfragen und der alles überwölbenden Corona-Krise versuchen die NRW-Grünen, beim Landesparteitag ihren Themen treu zu bleiben.
Es ist eine sonderbare politische Zwischenzeit, in der die NRW-Grünen am Sonntag ihren zweiten rein digitalen Landesparteitag abgehalten haben.
Seit der Kommunalwahl besetzen sie erstmals in einigen Großstädten das Oberbürgermeister-Amt und üben in zahlreichen schwarz-grünen Ratskoalitionen ihren deutlich vergrößerten Einfluss aus. Zugleich müssen sie angesichts der allumfassenden Corona-Krise fürchten, dass grüne Kernthemen wie Klimaschutz und Verkehrswende in der öffentlichen Debatte untergehen. Und die anhaltend guten Umfrageumwerte sollen nicht den Eindruck erwecken, man warte bloß noch darauf, ab September im Bund und ab Mai 2022 im Land als Junior-Partner der Union ins Regierungsgeschäft einzusteigen. Was also tun?
Sich treu bleiben - aber niemanden erschrecken
„Wir sind nicht mehr die Partei, die man wählt, um andere zu ärgern“, schärfte die Gelsenkirchener Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic am Sonntag ihren Parteifreunden ein. Das klang nach Führungsanspruch. Die mediengewandte, promovierte Polizistin und zweifache Mutter gilt manchen als ideale Ministerpräsidenten-Kandidatin. Sie könnte in der diffusen Personallage der Post-Laschet-CDU und der akuten Krise der NRW-SPD wohl viele Wähler der Mitte binden. Mihalic will aber wohl in der Bundespolitik bleiben. Die 44-Jährige erwartet harte Wahlkampf-Monate, in denen die Grünen immer wieder in die Ecke einer ideologischen Verbotspartei für Besserverdienende gedrängt werden dürften: „Die Angriffe werden Woche für Woche zunehmen“, glaubt Mihalic.
Einen Vorgeschmack lieferte die jüngste Debatte ums vermeintliche Einfamilienhaus-Verbot, die düstere Erinnerungen an „Veggie-Day“ (2013) oder „5 Mark pro Liter Benzin“ (1998) weckte. Die Gratwanderung ist heute schwieriger denn je: Die Grünen wollen wertgebundene Programmpartei bleiben, dabei aber nicht die neu gewonnene Anhängerschaft einer 20-Prozent-Kraft gleich wieder verschrecken.
Auch bei den NRW-Grünen ist das Einfamilien-Haus ein Thema
Die NRW-Grünen sind weiterhin ein eher linker Landesverband. Sollen andere doch spotten: Hier wird der Gendersprache am liebsten jede flüssige Formulierung geopfert. An der Basis macht man sich auch Gedanken, wie Deutschland mit „brutalen Regimen“ wie Saudi-Arabien umgehen sollte. Dass hier eine große Sehnsucht herrschen würde, ab 2022 bei Ministerpräsident Armin Laschet oder welchem CDU-Nachfolger auch immer an den Kabinettstisch zu kommen, ist nicht herauszuhören. Vielmehr will man Regierungen anführen, wenn auch nicht um jeden Preis.
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In vielen NRW-Kreisverbänden gibt es durchaus Sympathie für kommunale Bebauungspläne, die ökologisch und sozial vorteilhafteren Mehrfamilienhäusern absoluten Vorrang einräumen. Aber die Grünen wollen nicht mehr mit dem Kopf durch die Wand, sprich: als Hindernis für den Mittelschichtstraum vom Haus im Grünen gesehen werden.
Über der Pandemie schwebt die Klimakrise
Zwischen Machtaussicht und Markenkern werben einige dennoch für im Zweifel unpopuläre Ansagen. Die Landtagabgeordnete Wibke Brehms etwa findet, dass man die Debatte über eine Solardach-Pflicht aushalten müsse: „Wir wollen dafür sorgen, dass Solar zum Standard auf jedem Dach wird“, stellte sie beim Parteitag klar. Die Kreisverbände sollten das vor Ort in den Räten und Kreistagen anschieben, forderte sie. Andere wie der Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann redeten eher einer thematischen Verbreiterung ins ehemalige SPD-Klientel das Wort – zum Beispiel mit einer „grünen Garantiesicherung“ als Hartz IV-Ersatz.
Die neue Landtagsfraktionschefin Josefine Paul gab die Devise aus, auch in der Pandemie - mit mutmaßlich aktuell ganz anderen Sorgen der Bürger - an urgrünen Themen festzuhalten. Paul und ihre Co-Vorsitzende Verena Schäffer haben in den ersten vier Monaten an der Fraktionsspitze einen neuen Ton etabliert. Sie fordern die bisweilen in der Corona-Krise schlingernde schwarz-gelbe Landesregierung energisch, bleiben zugleich stoisch bei ihren grünen Kern-Anliegen. Paul fand dafür beim Parteitag eine kreative Formulierung: „Die Klimakrise ist nicht in Quarantäne.“