Düsseldorf. In Biontech-Ampullen sind mehr als sechs Spritzen – doch was NRW wöchentlich 4000 Impfungen zusätzlich bescheren würde, ist verboten.

In Nordrhein-Westfalen ist der Umgang mit kostbaren Resten von Corona-Impfstoff in die Kritik geraten. Nach Informationen unserer Redaktion wehren sich Ärzte und Apotheker, die in mobilen Impfteams eingesetzt sind, gegen zu starre Vorgaben des NRW-Gesundheitsministeriums. Durch mangelnde Flexibilität der Behörden werde in einer historischen Notlage die Möglichkeit verschenkt, Tausende zusätzliche Impfungen pro Woche durchzuführen, heißt es.

Konkret hatte die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) am Wochenende einen Hausarzt am Niederrhein von weiteren Impfeinsätzen suspendiert, weil er Restmengen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer verbraucht und Impfungen an unterschiedlichen Orten vorgenommen hatte. Insgesamt hat der Mediziner mit seinem Team bereits rund 1800 Impfungen in mehreren Altenheimen und medizinischen Einrichtungen durchgeführt.

Impfstoff darf nicht andernorts gespritzt werden

Hintergrund: In einem Glas (Vial) von Biontech/Pfizer sind etwas mehr als die sechs genehmigten Impfungen. Erfahrende Ärzte können jedoch aus Resten pro 18 Dosen eine weitere Impfspritze aufziehen. Dies sei zwar offiziell nicht erlaubt, jedoch durchaus übliche Praxis, um angesichts der Knappheit nichts zu verschenken, heißt es unter Pharmakologen. In NRW könnten auf diese Weise immerhin 4000 Impfungen pro Woche zusätzlich durchgeführt werden.

Das Impf-Team vom Niederrhein hatte zudem kurzerhand Klinikpersonal im nächsten Krankenhaus geimpft, als unvorhergesehen Altenheim-Bewohner – etwa wegen eines akuten Infektes – nicht geimpft werden konnten. Auch das ist nicht erlaubt, obwohl eine Lagerung der Spritzen kaum möglich ist. Die Kassenärztliche Vereinigung rügte den verantwortlichen Arzt: „Es dürfen sechs Dosen Biontech-Impfstoff aus einen Vial gewonnen werden, aber nicht mehr. Der Impfstoff darf von Ihnen nicht mitgenommen und anderenorts verimpft werden.“

Sollte die Genehmigung nachgebessert werden?

Die Apothekerkammer Nordrhein verwies auf die Verfahrensanweisung des Landes im Umgang mit Corona-Impfstoff, die auf größtmögliche Hygiene und Sicherheit abziele. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bekannte sich am Montag überraschend klar dazu, dass Restmengen eines Impfstoff-Glases im Zweifel weggeschüttet werden müssten: „Man kann nicht 0,15 Milliliter nehmen und dann eine neue Flasche anstechen und dann noch mal 0,15 Milliliter nehmen.“ Muss angesichts der weltweiten Impfstoff-Knappheit die Genehmigung noch einmal nachgebessert werden? Zunächst sollten sogar nur fünf Impfungen pro Biontech-Glas gewonnen werden. Der Virologe und frühere Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Jan Leidel, sprach von „dünnem Eis“. Die Gewinnung von mehr als sechs Impfdosen sei nun einmal „nicht zugelassen“.