Essen. Wegen Lieferproblemen öffnen die Impfzentren erst am 8. Februar für Hochaltrige. Patientenschützer und Sozialverband kritisieren das.
Der spätere Start der Corona-Schutzimpfungen von Menschen über 80 Jahren in NRW sorgt bei Vertretern pflegebedürftiger Menschen für viel Kritik. Das sei ein Dämpfer für die Hoffnung vieler Menschen, sobald wie möglich wieder am sozialen Leben teilnehmen zu können, warnte der Sozialverband VdK in NRW.
„Seit März heißt es, dass das Impfen das Eingangstor zu normaleren Zeiten sein wird“, sagte der Landesvorsitzende Horst Vöge dieser Redaktion, „Viele Menschen warten auf ihre erste Impfung, der Erwartungsdruck ist hoch.“
Vöge warnte, dass Verzögerungen beim Impfen die Glaubwürdigkeit der Politik gefährdeten. „So etwas könnte auch die Impfbereitschaft schmälern. Das konterkariert unsere Bemühung, viele Menschen von einer Impfung zu überzeugen und erzeugt Enttäuschung", so Vöge.
Impfstopp für Erstimpfungen in Kliniken und Pflegeheimen
Am späteren Dienstagabend hatte das NRW-Gesundheitsministerium Kliniken und Pflegeheime informiert, dass Erstimpfungen bis zum 1. Februar ausgesetzt werden. Den für diesen Tag geplanten Start der 53 zentralen Impfzentren verschob das Ministerium am Mittwochmorgen um eine Woche: Ab dem 8. Februar sollen dort zunächst vor allem über 80-Jährige geimpft werden, die zu Hause leben und mobil sind. Hintergrund der Verzögerung sind Lieferengpässe der Pharmaunternehmen Biontech/Pfizer.
Roland Weigel, einer der Sprecher der Ruhrgebietskonferenz Pflege, sprach von einem Desaster für über 80-Jährige im Land. Gerade bei Hochaltrigen, die zu Hause lebten, sei die Gefahr zu vereinsamen hoch. „Sie ziehen sich seit Monaten aus Sorge vor Infektionen zurück. Diese Menschen warten auf ihre Impfung.“
Patientenschützer: Impfziele kaum mehr zu erreichen
In NRW leben rund 1,2 Millionen Hochbetagte über 80 Jahren sowie rund 600.000 Pflegebedürftige, die zu Hause ambulant versorgt werden und damit noch nicht geimpft sind. In NRW sind zunächst Bewohner der stationären Pflegeheimen gegen das für Ältere besonders gefährliche Coronavirus geimpft worden. Aktuell laufen dort die Auffrischungsimpfungen, die nach Angaben des Landes auch fortgeführt werden sollen.
Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, kritisierte, dass mit der Zwangspause die gesteckten Impfziele nicht mehr zu erreichen seien. „Vor dem Hintergrund eines mutierten Virus ist das eine desolate Lage“, sagte Brysch dieser Redaktion. „Denn sowohl die über 80-Jährigen als auch die drei Millionen Pflegebedürftigen daheim und die sie mitversorgenden mobilen Altenpflegekräfte bleiben schutzlos.“
Private ambulante Pflegedienste müssen Mitarbeiter zum Impfzentrum schicken
Noch ist unklar, wie stark Mitarbeiter ambulanter Pflegedienste von der Verzögerung betroffen sind. Bislang ist die Impfrate dort ungleich verteilt: Während Betreiber von Pflegeheimen Mitarbeiter der angeschlossenen ambulanten Dienste zumeist bei Impfterminen gleich mitversorgen konnten, stehen selbstständige private Dienste derzeit noch außen vor. Ihre Mitarbeiter müssen für Impftermine an die 53 zentralen Impfzentren des Landes wenden.
Erste Städte haben Mitarbeiterlisten angefragt, wie Abdelmajid El Aidi von „Humanitas Pflegedienste“ berichtet. „Von zwei Städten, in denen wir aktiv sind, sind wir angeschrieben worden. Bei den anderen Kommunen kennen wir den Ablauf noch nicht“, sagt El Aidi. Der Essener versorgt mit seinen rund 200 Mitarbeiter bis zu 1200 Pflegebedürftige in der Region.
Er warnte, dass gerade organisatorische Hürden und Verzögerungen die Impfbereitschaft beeinflussen würden. Schon jetzt wollten sich nur rund 30 Prozent seiner Mitarbeiter gegen das Coronavirus impfen lassen. „Wir leisten Aufklärungsarbeit und haben eine Taskforce gebildet, um den Mitarbeitern alles organisatorische möglichst abzunehmen und die Hürden gering zu halten“, so El Aidi.
Nächste Hürde: Wie werden Pflegebedürftige zu Hause geimpft?
Unterdessen bleibt die Frage noch offen, wie Pflegebedürftige möglichst schnell geimpft werden können, die zu Hause leben und nicht mobil sind. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte am Montag ein Konzept angekündigt, damit Menschen zu Hause auch mit dem Impfstoff der Firmen Biontech und Pfizer geimpft werden können. Es soll den Wohlfahrtsverbänden dem Vernehmen nach am Donnerstag vorgestellt werden.
Einige Städte sind bereits weiter: Die Stadt Mülheim etwa hat nach Information von Pflegediensten bereits Betreiber von Tagespflegezentren angeschrieben. In den Zentren sollen Pflegebedürftige, die dort tagsüber betreut werden, dezentral geimpft werden.
Das Team des ambulanten Dienstes „Pflege Behmenburg“ berichtet, dass Pflegebedürftige in seinem Haus am 27. Januar an der Reihe sein sollten. Wegen der Lieferengpässe werde dies nun später stattfinden, wohl am 8. Februar. Innerhalb eines Tages könnten die über 50 derzeit "aktiven Besucher" des Tagespflegezentrums geimpft werden.