Düsseldorf. Unklar ist, wann und ob der Ministerpräsident vollständig nach Berlin wechselt. Den CDU-Landesverband stellt das vor Probleme.
Auf der Fraktionsebene des Düsseldorfer Parlaments gibt es eine Ecke, in der seit vielen Jahren eine Büste Konrad Adenauers über das Tun der CDU-Abgeordneten wacht. Die steinerne Verehrung des Partei-Mitbegründers und ersten Fraktionsvorsitzenden im Landtag galt lange als friedlich vor sich hin staubende Erinnerung an vergangene Größe der Christdemokraten an Rhein und Ruhr. Seit Samstag darf sich nun Ministerpräsident und Landesparteichef Armin Laschet als Erbe Adenauers fühlen – er ist nach dem „Alten aus Rhöndorf“ wieder ein CDU-Bundesvorsitzender aus Nordrhein-Westfalen.
Vor einigen Tagen hat sich Laschet als Gast einer Sitzung der Ruhr-CDU noch anekdotisch zu den Schwierigkeiten von Landes- und Bundespartei eingelassen, die mit einer Ämterfülle des Spitzenpersonals verbunden sind. „Konrad Adenauer war bis 1950, noch als Bundeskanzler, Landtagsabgeordneter. Das wissen die wenigsten. Weil die Landesverfassung erst 1950 verabschiedet wurde und der den Leuten in Düsseldorf das nicht richtig zugetraut hat“, erzählte Laschet da den Parteifreunden und lachte.
Landesparteitag findet wohl erst im Frühsommer statt
Aus Spaß ist nun Ernst geworden: Die NRW-CDU steht plötzlich vor der Schwierigkeit, eine Zukunft ohne Laschet zu planen. Ohne zu wissen, ob und wann er wirklich komplett nach Berlin verschwunden ist. Zwar herrschte am Wochenende in der Führungsriege der Partei große Erleichterung, dass sich der Ministerpräsident mit seinem „Maß und Mitte“-Kurs durchgesetzt hat und der nordrhein-westfälische Einfluss im Bund wachsen wird. Doch wie soll es im Land weitergehen?
Klar ist, dass CDU-Generalsekretär Josef Hovenjürgen den eigentlich für Ende 2020 geplanten Landesparteitag erst im Frühsommer als Präsenzveranstaltung stattfinden lassen wird. So reibungslos der Berliner Digitalparteitag inklusive Wahlen funktioniert hat – wegen des technischen Aufwands müssen Kosten in Höhe von zwei Millionen Euro veranschlagt werden. Geld, das die NRW-CDU lieber in ihre Kampagnenfähigkeit stecken würde.
Opposition schießt bereits gegen den "Teilzeit-Ministerpräsidenten"
Bis zum Frühjahr weiß Laschet zudem, ob er die Union auch in die Bundestagswahl führen wird oder wegen anhaltend mieser Umfragewerte die Kanzlerkandidatur an CSU-Chef Markus Söder weiterreichen muss. In beiden Fällen will er bis mindestens zur Bundestagswahl Ende September auch Ministerpräsident bleiben, um aus dem Amt heraus Wahlkampf machen zu können und etwa Rederecht im Bundestag zu haben.
So hätten es ja auch Johannes Rau 1987 und Edmund Stoiber 2002 gehalten, die nach Niederlagen als Kanzlerkandidaten einfach in den Ländern weiterregierten, wird derzeit verbreitet. Das Problem diesmal: In NRW wird bereits im Mai 2022 gewählt. Die Landespartei weiß also womöglich bis zur Regierungsbildung in Berlin Ende des Jahres nicht, ob Laschet zurückkehrt und wer wenige Monate später als Spitzenkandidat in die Landtagswahl geht. So lässt sich keine Kampagne planen. Ob die mächtigen Bezirksvorsitzenden Laschet die Vollkasko-Versicherung bei der Karriereplanung durchgehen lassen, ist derzeit schwer absehbar. Aber was wären die Alternativen?
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Laschet wird zunächst versuchen, im Frühsommer einen Vertrauten als Nachfolger im Landesverband zu installieren. Der beliebte Innenminister Herbert Reul, der einst zwölf Jahre lang als Generalsekretär in der Geschäftsstelle diente und die Partei bestens kennt, gilt als Idealbesetzung. Er würde für den Bundesvorsitzenden Laschet zuhause die Truppen zusammenhalten. Zumal das Regieren mit der FDP bei knapper Ein-Stimmen-Mehrheit schwieriger werden dürfte: Die Liberalen müssen sich im Bund auch gegen Laschet profilieren. Und das mitten in der Corona-Krise.
Die Opposition hat längst neue Angriffsfläche ausgemacht: „Einen Teilzeit-Ministerpräsidenten hat das Land nicht verdient und können wir uns in dieser Zeit auch nicht leisten“, sagte SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty.
Die Nachfolge im Ministerpräsidenten-Amt würde schwierig
Sollte Laschet zum Jahresende tatsächlich Bundeskanzler werden, würde die Sache in NRW noch komplizierter. Ein Landesparteichef Reul könnte nicht Ministerpräsident werden, weil er nicht über das verfassungsrechtlich vorgeschriebene Landtagsmandat verfügt. Unter den aktuellen Abgeordneten käme am ehesten Verkehrsminister Hendrik Wüst (45) in Frage, der das richtige Alter und den nötigen Machtinstinkt hat. Mit dem Amtsbonus des Ministerpräsidenten müsste er natürlich auch Spitzenkandidat bei der Landtagswahl werden, was nicht jedem in der Landespartei gefällt. Wüst ist Chef des Wirtschaftsflügels und hat sich in seinen Jugendjahren als Generalsekretär (2006 – 2010) nicht nur Freunde gemacht. Um das Laschet-Erbe dürfte noch heftig gerungen werden.