Düsseldorf. Der oft Unterschätzte ist neuer CDU-Vorsitzender und womöglich bald Kanzler. Von einem, der mit guten Nerven gerne Umwege nimmt.

Es ist das Muster seines politischen Lebens: Armin Laschet ist immer dann zur Stelle, wenn Alternativen fehlen, sich andere blockieren oder unmöglich gemacht haben. So wurde der bald 60-jährige Aachener einst Kreisvorsitzender und Landesminister, schließlich Landtagsfraktionschef in Düsseldorf, Landesvorsitzender der mächtigen NRW-CDU, Ministerpräsident im bevölkerungsreichsten Bundesland. Oft im zweiten Anlauf, manchmal gegen viele Wahrscheinlichkeiten. Nun also CDU-Chef. Nachfolger von Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel.

„Es kann sein, dass ich am Ende übrig bleibe“, hat Laschet früh mit Blick auf den Parteivorsitz gesagt. Am Samstag ist er nach dem zweiten Wahlgang tatsächlich übrig geblieben. Mit 521 zu 466 Stimmen lag er nicht überragend deutlich, aber doch klar vor Friedrich Merz, der konservativen Sehnsuchtsfigur mit der zackigen Rhetorik. Gewiss: Die Unterstützung beinahe der gesamten Führungsriege der CDU inklusive Kanzlerin musste ihm am Ende über die Hürde helfen. Denn weder sein Exekutivamt in der Düsseldorfer Staatskanzlei noch eine irre große mediale Präsenz verschafften ihm bislang hohe Beliebtheitswerte oder entfachten unter den Delegierten ein Feuer der Begeisterung.

Der Parteitag zeigt im Zeitraffer das Erfolgsmodell Laschet

Am Ende ging die Partei mit ihm auf Nummer sicher: Regierungserfahrung, kein Bruch mit Merkel, Anschlussfähigkeit zu anderen Parteien, kein Polarisierer, freundliche Normalität. Aber auch das muss man erst mal können: Laschet verströmt keinen Glamour, aber die Solidität von Persil - da weiß man, was man hat.

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Der Digital-Parteitag zeigte am Samstag gewissermaßen im Zeitraffer das Erfolgsmodell Laschet. Grundlagen seines Aufstiegs sind ein gutes Nervenkostüm, unbändige Freude am politischen Prozess als solchem und ein auch in den C-Parteien selten gewordener fester katholischer Glaube. Einer wie Laschet kann sich unabhängig von Ämtern für Aufgaben begeistern, weshalb er bei einer Niederlage gegen Merz einfach an dem Platz weitergemacht hätte, an den ihn das Schicksal stellt. Er weiß – so kitschig es klingen mag- , dass er tiefer als in Gottes Hand nie fallen kann. Er strahlt hohe Lebenszufriedenheit aus, lebt in einer intakten Großfamilie und hat sich etliche Jugendfreundschaften außerhalb des Haifischbeckens namens Politik bewahrt. Das gibt ihm die Freiheit, negative Schlagzeilen, Häme und miese Umfragen abperlen zu lassen.

Laschet verliert nicht die Nerven

Als im missratenen „Corona-Sommer“ und all den Diskussionen um den „Lockerer Laschet“ viele dachten, er werde bald hinwerfen, erlebte man ihn in Düsseldorf fröhlich an einem Zigarillo saugend. Solch eine Resilienz haben wenige. Dass er beim Digital-Parteitag die alte Bergmannsmünze seines Vaters als Glücksbringer in der Anzugtasche trug, war gewiss die ziemlich gute Pointe seines Auftritts. Zugleich gibt Laschet solche familiäre Verbundenheit tatsächlich Halt.

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Wohl auch deshalb hielt Laschet in der Berliner Messehalle eine der besten Reden seines Lebens. Obwohl er oft so sprunghaft wirkt, ist er in Drucksituationen meist auf den Punkt konzentriert. So war es schon beim Mönchengladbacher Landesparteitag im Vorfeld der Landtagswahl 2017, als in den eigenen Reihen noch über den Spitzenkandidaten Laschet gelästert wurde. Oder beim TV-Duell gegen die übermächtig erscheinende SPD-Ministerpräsidenten Hannelore Kraft, die er an die Wand argumentierte. Wer keine Versagensangst hat, liefert im entscheidenden Moment.

Ein Spitzenpolitiker, der in seiner Karriere keine Entbehrungen kompensiert

Laschet gehört überdies zu den Spitzenpolitikern, die mit ihrer Karriere keine Entbehrungen kompensieren müssen. Er war nie Außenseiter, sondern immer mittendrin. Er ist mit drei Brüdern in einem liebevollen, bildungsehrgeizen Elternhaus groß geworden. Seine Frau Susanne, eine in Aachen fest verwurzelte Buchhändlerin, kennt er schon seit Kindheitstagen und weiß, dass sie nie sagen würde: „Armin, aufstehen, Karriere machen.“ Laschet ist sich immer treu geblieben und gesteht das auch anderen zu. Einer wie er hat keine glühenden Verehrer, aber eben auch keine Feinde. Mochte noch so sehr über seine rheinische Schludrigkeit, seine gelegentliche Emotionalität, seinen plaudernden Redestil gemeckert werden. Er will und wird sich nicht ändern. „Ich bin vielleicht nicht der Mann der perfekten Inszenierung, aber ich bin Armin Laschet – und darauf können Sie sich verlassen“, sagte er in seiner Parteitagsrede.

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Anders als der deutlich beliebtere CSU-Chef Markus Söder musste sich Laschet nie neu erfinden. Sein politischer Wertekanon hat seit 30 Jahren Bestand: Unbedingter Einsatz für die Europäische Union, Ja zu Deutschland als gesellschaftlich liberales Einwanderungsland, Orientierung am christlichen Menschenbild bei der Bewahrung der Schöpfung. Laschet gehörte früh zu den Wegbereitern schwarz-grüner Koalitionen, wird aber auch von der FDP als verlässlicher Partner geschätzt und findet sozialpolitisch Anknüpfungspunkte zur SPD. Seine angebliche Durchschnittlichkeit bringt ihn erstaunlich oft ans Ziel.

Laschet hat den Blick für Gelegenheiten

Laschet hat zweifellos einen Blick für Gelegenheiten. Er hat sich erst um den CDU-Bundesvorsitz beworben, als er den ehrgeizigen Gesundheitsminister Jens Spahn eingebunden hatte und das Risiko kalkulierbar wirkte. Obwohl sich die Nummer zwei wohl zunehmend für besser hielt als die Nummer eins und hinter den Kulissen intrigiert haben soll, ließ sich Laschet nicht verrückt machen. Spahn wurde am Samstag mit dem schlechtesten Ergebnis zum Partei-Vize düpiert und muss nun wohl erst mal das Impf-Chaos in den Griff bekommen - Kanzlerkandidatur adé.

Laschet ist machtbewusst genug zu wissen, dass er als neuer Vorsitzender selbst bei der K-Frage am Zug ist. Womöglich bessern sich im Glanz des neuen Amtes seine persönlichen Umfragewerte. Außerdem ist bei der Landtagswahlen im März in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg durchaus ein Stimmungsaufheller für die CDU drin. Nur wenn CSU-Chef Söder wirklich will und eine kraftvolle Kampagne für sich orchestriert, müsste ihm Laschet die Kanzlerkandidatur antragen. Bis dahin hält es der FC Bayern-Fan Armin Lasschet wohl mit Oliver Kahn: Weiter machen, immer weiter, einfach immer weiter.