Düsseldorf. Die Lage in den NRW-Kliniken spitzt sich weiter zu. Möglicherweise kommt der Lockdown-Effekt zu spät.

Im Gegensatz zu einigen Krankenhäusern in Sachsen sind die Kliniken in NRW derzeit noch in der Lage, Corona-Patienten mit schweren Verläufen gut zu behandeln. Aber Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW), warnt, auch hierzulande könnten die Häuser in den kommenden Tagen an ihre Grenzen stoßen. Mit „großer Sorge“ betrachtet er die stark zunehmenden Neuinfektionen.

„Aus der bisherigen Erfahrung, dass die Entwicklung mit bis zu 14 Tagen Verzögerung in den Krankenhäusern ankommt, müssen sich die Kliniken auf weiter steigende Zahlen von Patienten mit schweren Corona-Verläufen einstellen“, sagte Brink dieser Redaktion.

"Behandlungsreserve könnte rapide abschmelzen"

Dadurch könnte der Effekt aus dem harten Lockdown „mindestens geschwächt werden“. Die mögliche Konsequenz laut KGNW: „Dann laufen auch die Krankenhäuser in NRW sukzessive voll, dann könnte die heute noch vorhandene Behandlungsreserve rapide abschmelzen.“

Zuvor hatte Brink im WDR von einer „sehr dynamischen“ und „zunehmend angespannten“ Lage in den Krankenhäusern gesprochen. Viele der besonders schwer erkrankten Covid-19-Patienten müssten zwei Wochen lang beatmet werden. Zum Glück sei die Krankenhauslandschaft in NRW dicht und die Bereitschaft, sich gegenseitig zu helfen, groß. Mit einer Entspannung der Lage sei aber erst zu rechnen, wenn es gelinge, die Zahl der Neuinfektionen zu senken.

Inzidenzwerte weiterhin hoch. Oberhausen besonders betroffen

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte in der vergangenen Woche im Landtag einen Medizinprofessor so zitiert: „Trotz einer starken Belastung der Krankenhäuser sind wir von einer Triage noch sehr, sehr weit entfernt.“ Triage bedeutet „Auswahl“. Wenn Behandlungskapazitäten erschöpft sind, müssen Mediziner unter Umständen eine Auswahl treffen, wer eine lebensrettende Behandlung erhält. Laut Laumann müssen solche Entscheidungen in NRW derzeit nicht getroffen werden.

Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) blieben die Corona-Zahlen in NRW am Wochenende hoch. Der Inzidenzwert lag bei 182,2 Infektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Bundesweit lag die 7-Tage-Inzidenz bei 192,2. Bisher wurden in NRW insgesamt 349 463 Corona-Infektionen nachgewiesen. Von Samstag auf Sonntag kamen 4277 hinzu. Die Zahl der Corona-Todesfälle stieg von Samstag auf Sonntag um 32 auf 5209.

Am höchsten war der Inzidenzwert am Sonntag laut RKI in Oberhausen mit 313,6, gefolgt vom Kreis Lippe mit 277,4 und Solingen mit 265,5. Die Werte großer Revierstädte laut dem Landeszentrum Gesundheit: Herne: 240,3; Duisburg: 220,4; Gelsenkirchen: 215,7; Mülheim: 210,4; Essen: 191,7, Dortmund: 190,2, Hagen: 161,1. Der Kreis Recklinghausen hat eine Wocheninzidenz von 244,4. Düsseldorf lag bei 107,1.