Düsseldorf. Im Machtkampf um die künftige Führung der NRW-SPD wird der Ruf nach einem “dritten Weg“ lauter. Bekommt Kutschaty neue Konkurrenz?
Im seit Monaten schwelenden Führungsstreit der NRW-SPD könnte es zu einer überraschenden Wendung kommen. Nach Informationen unserer Redaktion erwägen der Vorsitzende der NRW-Landesgruppe im Bundestag, Achim Post, und Bundesumweltministerin Svenja Schulze beim Parteitag im März eine gemeinsame Kandidatur um den Vorsitz des größten SPD-Landesverbandes. Intern sollen sie ihre Bereitschaft erklärt haben, als Duo die Partei im wichtigen Bundestagswahl 2021 wieder einen zu wollen.
Der 61-jährige Post stammt aus Ostwestfalen, wird dem konservativen „Seeheimer Kreis“ zugerechnet und gehört in Berlin zu den einflussreichsten Strippenziehern der SPD. Die 52-jährige Schulze wohnt in Münster, kennt als langjährige NRW-Wissenschaftsministerin und Generalsekretärin die Landespolitik gut und genießt in der Partei-Linken Rückhalt.
"Im Moment wird viel miteinander gesprochen"
Eine offizielle Bestätigung gibt es bislang nicht. „Im Moment wird viel miteinander gesprochen, denn so kann es mit der NRW-SPD nicht weitergehen“, heißt es in Parteikreisen. Post und Schulze würden für einen „dritten Weg“ aus der aktuellen Selbstblockade des Landesverbandes stehen und hätten signalisiert, sich in die Pflicht nehmen zu lassen.
Anfang Oktober hatte SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty angekündigt, auch für den Landesvorsitz zu kandidieren. Der 52-jährige Essener konnte bereits 2018 gegen Widerstände der alten Garde der NRW-SPD den Fraktionsvorsitz erkämpfen. Nun will er endgültig zum Kopf der Partei werden. Kutschaty werden gute Chancen eingeräumt, eine Kampfabstimmung gegen den bisherigen Landesvorsitzenden Sebastian Hartmann zu gewinnen. Der weithin unbekannte Bundestagsabgeordnete vom Mittelrhein war vor zwei Jahren durch Posten-Schacher und Regionalproporz an die Spitze katapultiert worden. Warm wurden Partei und Öffentlichkeit mit dem 43-Jährigen nie.
Groko-Kritiker Kutschaty hat in Berlin viele Gegner
Kutschaty wiederum hat in Berlin erbitterte Gegner. Als prominenter Groko-Gegner gilt er dort vielen als „linker Sektierer“. Bissig wird darauf verwiesen, dass Kutschaty als Chef der Essener SPD längst den Nachweis seiner Parteiarbeit erbracht habe. Der von ihm geführte Unterbezirk erlitt bei der Kommunalwahl ein Debakel historischen Ausmaßes.
Auch im wichtigsten SPD-Bezirk Westliches Westfalen gibt es Vorbehalte gegen Kutschaty. Geführt wird die mächtige Parteigliederung von seinem langjährigen Gegenspieler Marc Herter, der nach einem Sensationserfolg bei der Oberbürgermeister-Wahl in Hamm zusätzliche Autorität gewonnen hat.
„Gegen die Bundestagsfraktion und das Westliche Westfalen kann man die NRW-SPD nicht führen“, heißt es. Selbst wenn sich Kutschaty gegen Hartmann durchsetze, könne ihm etwa eine Mitgliederbefragung über die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2022 noch Steine in den Weg legen. Die Selbstbeschäftigung der Partei werde sich endlos fortsetzen, wird intern gewarnt.
Laschet in Berlin oder angeschlagen zurück: Ist die SPD gar nicht chancenlos?
Dass sich Kutschaty vom drohenden Duo Post/Schulze aufhalten lässt, ist dennoch unwahrscheinlich. Der wegen der Corona-Krise auf März verschobene Landesparteitag könnte den Weg für eine Doppelspitze nur mit einer Satzungsänderung frei machen. Die müsste von Delegierten in Präsenz beschlossen werden. Womöglich findet der Parteitag aber nur im Digitalformat statt.
Zudem wähnt Kutschaty gute Argumente auf seiner Seite. Die letzten drei NRW-Ministerpräsidenten kamen auch deshalb aus der Opposition ins Amt, weil sie zugleich Chef von Landtagsfraktion und Landespartei waren. Die Konzentration der Macht vermeidet Reibungsverluste. Selbst wenn Post und Schulze wohl selbst gar kein Interesse an der Spitzenkandidatur 2022 haben, ist das nicht zu unterschätzen.
Beobachter attestierten der SPD bei kluger Herangehensweise sogar weitaus bessere Chancen auf die Rückeroberung des Ministerpräsidenten-Amtes als aktuell erkennbar. Wenn Amtsinhaber Armin Laschet im Januar beim Kampf um den CDU-Vorsitz gegen Friedrich Merz scheitern sollte, wäre er schwer beschädigt. Gewinnt er, bietet er als Parteichef in Berlin und „Teilzeit-Ministerpräsident“ viele Angriffsflächen. Vergeigt er im September 2021 trotz bester Ausgangslage für die Union die Bundestagswahl, könnte sich Laschet bis zur Landtagswahl im Mai 2022 davon nur schwer erholen. Wird Laschet indes Bundeskanzler, hätte sein wahrscheinlicher Nachfolger Hendrik Wüst einige Mühe, schnell im Ministerpräsidenten-Amt anzukommen und die schwierige NRW-CDU hinter sich zu bringen. Kutschatys Rechnung lautet deshalb: Als Volljurist mit Arbeiterkind-Charme und ausgestattet mit langjähriger Regierungserfahrung im NRW-Justizministerium könnte er das immer noch große SPD-Potenzial an Rhein und Ruhr wieder aktivieren.