Essen. Erzieher sind in der Pandemie erheblich belastet, erste kehrten frustriert dem Job den Rücken. Gewerkschaften warnen vor einem Systemkollaps
Inmitten der Corona-Pandemie warnen die Gewerkschaften Verdi und Komba vor einem drohenden Systemkollaps der Kindertagesstätten in NRW. Erzieher arbeiteten seit Monaten unter einer Dauerbelastung und müssten zugleich immer mehr Personalausfälle ausgleichen, sagte Kita-Fachfrau Marlene Seckler von Verdi NRW.
„Wir haben aktuell Kitas, in denen bis zu 30 Prozent des Personals fehlen“, so Seckler. Betroffene seien in Quarantäne, gehörten zur Risikogruppe, seien langzeiterkrankt oder seien schlicht jahreszeittypisch erkältet. „ Die Beschäftigten in den Kitas gehen auf dem Zahnfleisch .“ Es gebe zu wenig Personal für zu viele Kinder über zu lange Öffnungszeiten. „Wir brauchen landesweit reduzierte Betreuungsumfänge.“
Frust unter dem Kita-Personal: Erzieherinnen wollen Job wechseln
Für Engpässe sorgt laut der Gewerkschaft Komba auch, dass offene Konzepte in den Kitas derzeit nur eingeschränkt stattfinden können. Erzieher müssten die Betreuungsumfänge in den einzelnen Gruppen zu allen Zeiten abdecken. Möglich sei das nur, wenn ganztägig unterbesetzt gearbeitet werde. Durch diese Dauerbelastung in Verbindung mit Personalausfällen bestehe die Gefahr eines drohenden Systemkollapses.
„Der Frust unter den Beschäftigten ist groß“, sagte Sandra van Heemskerk, Landesvize der Komba in NRW. Sie warnte vor den Folgen: Sie sei schockiert darüber, wie viele Erzieherinnen sich derzeit nach einem Jobwechsel erkundigten.
Van Heemskerk appellierte an die Politik, die Sorgen der Betroffenen auch um die eigene Gesundheit und die der Familie ernst zu nehmen. Es sei unbestritten, dass die Kitas zugänglich bleiben müssten. Es könne aber nicht sein, dass dort im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen keine neuen Schutzregeln wegen hoher Infektionszahlen ergriffen würden. „Das Kita-Personal ist seit Beginn der Pandemie die Berufsgruppe, die aus pädagogischen Gründen fast ohne Schutzausrüstung auskommen muss“, sagte sie.
NRW könnte frühere Ferien auch für Kitas ermöglichen
Die Gewerkschaften fordert neben kürzeren Öffnungszeiten und konsequenteren Quarantäneregeln eine Gleichbehandlung von Schulen und Kitas ein. An den Schulen wird der Start der Weihnachtsferien vorgezogen, damit Familien sich in eine freiwillige Vorquarantäne begeben können. Das müsse auch für Kitas möglich sein, sagte van Heemskerk.
„NRW muss an die Träger appellieren, im Sinne des Infektionsschutzes Einrichtungen früher zu schließen“, so die Gewerkschafterin. Dazu müssten gesetzlich mögliche Schließtage erweitert werden.
Ministerium lehnt landesweit kürzere Betreuungszeiten ab
Das NRW-Familienministerium verwies am Freitag darauf, dass es im Gegensatz zur Schulpflicht keine Kita-Pflicht gibt. Familien, die eine weihnachtliche Vorquarantäne machen möchten, steht es somit frei, ob sie ihr Kind an den Tagen in die Betreuung geben. „Wir appellieren jedoch an die Eltern, die Vorquarantäne nach Möglichkeit zu nutzen“, hieß es.
Eine pauschale landesweite Reduzierung des Betreuungsumfangs lehnt das Ministerium ab. Das würde den sehr unterschiedlichen Bedingungen in den Einrichtungen nicht gerecht. Nach Landesangaben war etwa jede elfte Kita in Nordrhein-Westfalen im November wegen der Corona-Pandemie ganz oder teilweise geschlossen.