Düsseldorf. Die Opposition mahnt ein Ende des Notfall-Modus in der Finanzpolitik an und will mehr Transparenz bei den Pandemie-Kosten.

Nutzt die schwarz-gelbe Landesregierung den Corona-Rettungsschirm als undurchsichtigen Schattenhaushalt? Knapp acht Monate nach der Bewilligung der gewaltigen Summe von 25 Milliarden Euro zum Abfedern der Pandemie-Folgen bröckelt im Landtag die Einigkeit in der finanzpolitischen Krisenstrategie. Die Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen, die noch im März der Landesregierung im Schnelldurchlauf ein zusätzliches Drittel des bisherigen Haushaltsvolumens mit freigegeben hatten, äußerten am Dienstag erhebliche Zweifel am Finanzgebaren der Regierung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU).

„Der Corona-Rettungsschirm rettet den Haushalt der Landesregierung, aber nicht das Land“, sagte SPD-Finanzexperte Stefan Zimkeit. Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) rechne mit den Geldern bloß seinen Etat schön und lenke die Mittel nicht dorthin, wo sie dringend benötigt werden, lautete sein Vorwurf.

Der NRW-Haushaltsplan für 2021, der in der kommenden Woche in zweiter Lesung im Landtag beraten wird, sieht ein Gesamtvolumen von rund 84 Milliarden Euro vor. Etwa 5,5 Milliarden Euro an Steuer-Mindereinnahmen werden dabei durch Mittel aus dem auf drei Jahre angelegten Corona-Rettungstopf ausgeglichen. Das ist prinzipiell nicht zu beanstanden, denn das Land kann wegbrechende Einnahmen gut mit den Folgen der Pandemie begründen.

„Die armen Verwandten müssen sehen, wo sie bleiben“

Allerdings stört sich die SPD daran, dass die schwarz-gelbe Koalition die Corona-Folgen einfach herausrechnet und behauptet, man lege trotzdem „einen Haushalt ohne neue Schulden“ vor. „Mit 5,5 Milliarden Euro plant die Landesregierung die höchste Neuverschuldung seit mehr als einem Jahrzehnt“, sagte Zimkeit. Während sich das Land aus dem Corona-Topf bedienen kann, werden den Kommunen vorwiegend Kredite gewährt. „Die armen Verwandten müssen sehen, wo sie bleiben“, kritisierte auch Grünen-Finanzexpertin Monika Düker und forderte den Ausgleich der kommunalen Gewerbesteuer-Ausfälle 2021.

Nach dem Eindruck der Opposition kommen die Corona-Hilfen bislang nicht da an, wo sie hingelenkt werden sollten. Von den bewilligten Mitteln etwa für die Digitalisierung der Schulen sei nur ein Bruchteil abgerufen worden. Das Land könne die Schuld dafür nicht den Kommunen zuschieben, meinte Zimkeit. Wenn über 100 Millionen Euro für die Ausstattung von Lehrkräften mit digitalen Endgeräten nicht abgerufen würden, läge die Verantwortung dafür in Düsseldorf: „Das sind Landesbeschäftigte, also soll das Land sich auch um sie kümmern.“

Als Problem für das Parlament erweist sich überdies, dass die Verwendung der Corona-Mittel nur schwer nachzuvollziehen ist. Das Geld kann als Sondervermögen vom Landeskabinett verplant und dann im Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags freigegeben werden. Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer forderte ein Ende dieses „Notfall-Modus“ und die Rückkehr zu einer ordentlichen Finanzplanung: Es müsse transparent gemacht werden, welche konkreten Kosten etwa für Impfstrategie oder Kita-Helfer tatsächlich mit dem Rettungsschirm abgesichert werden.

NRW weist eine Pro-Kopf-Investition von 400 Euro auf, Bayern 900

Auch der Landesrechnungshof hatte bereits mehr Transparenz angemahnt und deutlich größeren Ehrgeiz bei der Rückzahlung. NRW will die Corona-Milliarden ab 2024 erst innerhalb von 50 Jahren zurückzahlen. Die Grünen monierten fehlenden finanzpolitischen Weitblick. NRW weise lediglich eine Pro-Kopf-Investition von 400 Euro auf, Bayern dagegen eine von 900 Euro.

In ihren Haushaltsanträgen setzen die Oppositionsparteien erwartungsgemäß auch eigene Akzente: So fordert die SPD etwa 40 Millionen Euro für die soziale Infrastruktur und die Abschaffung der umstrittenen Straßenausbau-Beiträge für Anlieger. Pikant außerdem der Gegenfinanzierungsvorschlag für bessere Arbeitsschutz-Kontrollen in der Fleischindustrie: 1,5 Millionen Euro sollen aus den Personalmitteln der Staatskanzlei genommen werden. Laut SPD ist der Etat von Ministerpräsident Laschet für Öffentlichkeitsarbeit und Repräsentation seit 2017 von 64,4 Millionen Euro auf 93,4 Millionen Euro aufgebläht worden. „Ich finde, dass es wichtiger ist, den Arbeitsschutz zu stärken als die Repräsentation des Ministerpräsidenten“, sagte Zimkeit.