Düsseldorf. Die NRW-Grünen haben vorgemacht, worüber andere seit Monaten diskutieren: Beobachtungen vom ersten reinen Digital-Parteitag.
Statt Applaus fliegen Herzchen und Sonnenblumen durchs Bild. Abstimmen dürfen nur eingeloggte Delegierte. Zuschauen dafür deutlich mehr Interessierte als die normalerweise geladene Gästeschar. Der häufigste Satz an diesem Vormittag lautet: „Hallo, könnt ihr mich hören?“
Die Grünen haben am Sonntag als erste NRW-Partei ihren obligatorischen „kleinen Parteitag“ vollständig im Digitalformat abgehalten. Nur das Tagungspräsidium und die Landesvorsitzende Mona Neubaur hatten sich in der Düsseldorfer Landesgeschäftsstelle postiert, wo neuerdings dauerhaft ein „Streaming-Studio“ eingerichtet ist. Alle übrigen Politiker waren von zuhause aus zugeschaltet. Laut Grünen-Mitteilung soll es von Interessierten bis zu 3000 Zugriffe gegeben haben. Nach all den quälenden Debatten über die Möglichkeit von Parteitagen in Pandemie-Zeiten, die seit Wochen auch bei CDU und SPD geführt werden , haben die Grünen einfach mal ein Format vorgelegt.
Bei der Fraktionschefin laufen die Kinder ins Bild
Allerdings stehen bei der Öko-Partei, die nach ihrem Erfolg bei den Kommunalwahlen nunmehr NRW-weit 21.500 Mitglieder zählt, aktuell auch keine Personalentscheidungen an. Das macht die Sache rechtlich und politisch deutlich leichter. Der „Kleine Parteitag“ zeigte schließlich, dass man so ganz allein vor Laptop-Kamera nur schwer die Delegierten in Stimmung reden kann. Auch die in Parteien so wichtige Gruppendynamik kommt ohne persönliche Begegnung kaum in Gang.
Zumal immer mal irgendwo die Leitung hakt. Das führt zu amüsanten Dialogen: „Hallo Ina, wir hören, aber sehen Dich noch nicht.“ Die Delegierte Ina Besche-Krastl aus Mettmann daraufhin: „Ich könnte jetzt einen Vortrag darüber halten, wie doof das ist, im Homeoffice zu sitzen und keine gute Internet-Verbindung zu haben.“
Beim Digitalparteitag trauen sich auch Redner, die sonst nicht sprechen
Zugleich scheint so ein Digital-Parteitag die Hierarchien erfrischend einzuebnen. Während bei Präsenzveranstaltungen nur die Prominenz volle Aufmerksamkeit bekommt und Hinterbänkler häufig in desinteressiertes Gemurmel oder Kaffeepausen-Leere sprechen müssen, sind hier alle gleich. Der Leverkusener Christoph Kühl bekennt am Sonntag sogar, dass er sich noch nie getraut habe, auf einem Parteitag zu reden. Nun, allein vor dem Computer geht es auf einmal.
Vor allem wirken die Polit-Profis hier angenehm nahbar. Bei der Rede der Landtagsfraktionschefin Verena Schäffer stehen plötzlich die Kinder am Schreibtisch und verlangen die Aufmerksamkeit der Mama. So sei das halt, wenn man mit den Kleinen allein zuhause sei, sagt Schäffer entschuldigend. Verkehrsexperte Arndt Klocke präsentiert sich im Wohlfühl-Hemd mit Schachbrett-Muster, Bundestags-Fraktionsvize Oliver Krischer im rückenschonenden Kopfstützen-Bürostuhl. Die neue Bonner Grünen-Oberbürgermeisterin Katja Dörner meldet sich derweil aus einem dunklen Raum, dessen Wände mit einem dunkelgrünen Baum-Muster tapeziert sind. Schöne neue Parteitagswelt.