Coesfeld. Sie ist 34 Jahre alt, parteilos und Bürgermeisterin: Eliza Diekmann aus Coesfeld gehört zu den großen Überraschungen der Kommunalwahlen.

Wenn man mit Eliza Diekmann in Coesfeld unterwegs ist, dauert es nicht lange bis zum ersten Gruß eines Fremden. „Ach, hallo Eliza“, ruft ein Radfahrer und klingelt. Eine Frau kommt gleich an den Tisch des Cafés und selbst die, die sich nicht herantrauen, nicken Diekmann zu. Man merkt es den Coesfeldern an: Sie sind stolz, welcher Meisterstreich ihnen mit ihrer Bürgermeisterin gelungen ist.

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Über zwei Drittel der Coesfelder haben Diekmann im September ihre Stimme gegeben. Das an sich ist in Zeiten schwindender Mehrheiten bemerkenswert. Diekmanns Startbedingungen machen diesen Sieg aus dem Stand außergewöhnlich: Sie ist parteilos, 34 Jahre alt, Journalistin, Mutter zweier Kita-Kinder und nun im konservativeren CDU-dominierten Münsterland Stadtchefin.

“Ich fühle mich als Vorkämpferin, auch für meine Tochter“

Ein Kulturwandel? Diekmann legt das Handy auf ihre rote Terminkladde und lehnt sich etwas ihrem Gegenüber zu. Sie erzählt von Menschen im Wahlkampf, die sich unbedingt eine Frau an der Spitze der Stadt gewünscht hätten. Einerseits - und anderseits waren da Widerstände, manche unterschwellig, andere deutlich. Ein „Mädchen“ als Anrede im Gespräch, die wiederholten Fragen nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Skepsis, ob es Frauen nicht an etwas fehle für solch ein Amt.

Eliza Diekmann ist mit Unterstützung von SPD, Grünen und den Wählergemeinschaften in den Wahlkampf gestartet.
Eliza Diekmann ist mit Unterstützung von SPD, Grünen und den Wählergemeinschaften in den Wahlkampf gestartet. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

„Ich fühle mich da schon auch als Vorkämpferin“, sagt Diekmann, ohne verbissen zu wirken, „auch für meine Tochter.“

Aus dem Journalismus in die Politik

Die 34-Jährige kommt von außen in die Politik. Ihre Eltern sind Unternehmer. Sie studiert Publizistik, Politik und internationale Kommunikation, reist um die Welt, arbeitet als Wirtschaftsjournalistin. Nach Coesfeld zieht sie wegen der Familie: Mit Kindern sei eine kleinere Stadt genau richtig, sagt sie. Und wusste doch früh, dass es das allein nicht war. „Als wir von Frankfurt hierhergezogen sind, hat mein Mann gesagt, du musst hier Bürgermeisterin werden.“ In zehn Jahren vielleicht, dachte sie.

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Über die Klima-Gruppe „Coesfeld for Future“ macht sie sich aber so schnell einen Namen, dass der erste Politiker bald anklopft. SPD, Grüne und Wählergemeinschaften suchten einen gemeinsamen Bürgermeister-Kandidaten. Herausgefordert war Diekmann, weil jemand behauptete, Frauen fehle es an Biss. Die Lokalzeitung titelte: „Junge Frau will Bürgermeisterin werden“.

Sie mobilisierte 1000 Corona-Helfer in der Pandemie

Das war im Dezember, Diekmann war nur wenig bekannt und ohne Wahlprogramm. Sie ging vor, wie sie es gelernt hatte: Sie recherchierte. Sie las Fachbücher und Ratsvorlagen der vergangenen zehn Jahre, interviewte andere Bürgermeister (auch die Stadtverwaltung Stockholm) und sie sprach mit den Coesfeldern. Sie lud zum Kaffee ein und manchmal seien bis zu 50 Menschen gekommen. Eine Frau, die leicht auf andere zugehen kann, aufgeschlossen und zupackend wirkt: Als die Pandemie begann, mobilisierte sie mit einer Gruppe rund 1000 Menschen für Hilfen.

Und jetzt, da sie gewählt ist? Diekmann sagt, eines ihrer zentralen Themen soll die Kommunikation sein. „Ich habe im Wahlkampf gemerkt, dass sich die Menschen hier genau das wünschen, was ich kann. Zuhören, sich zurücknehmen und andere voranstellen, gut kommunizieren.“ Sie wolle die Mitsprache in der Stadt verbessern, Vorhaben gemeinsam mit den Bürgern entwickeln, statt vorab mit einer kleinen Gruppe von Fachleuten alles Entscheidende zu definieren. Das mag nicht nach Umsturz klingen - muss es aber auch nicht.