Düsseldorf. Acht bis neun Anrufe täglich zählen die Betreiber des neuen Hilfetelefons für Männer, die Opfer von Gewalt sind.
Das neue Hilfetelefon für Männer, die Opfer von Gewalt sind, ist gefragt. Rund 2400 Anrufe von verzweifelten Männern zählen die Berater seit April. NRW-Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) zog jetzt eine Zwischenbilanz. Die Nachfrage zeige, wie wichtig es sei, das Thema Gewalt gegen Männer „aus der Tabuzone zu holen“, sagte sie.
Björn Süfke von der Männerberatung „man-o-mann“ in Bielefeld weiß, wie sehr neben vielen Frauen auch manche Männer unter häuslicher Gewalt leiden. Diese Beratungsstelle betreibt zusammen mit der AWO in Augsburg das Männerhilfetelefon. NRW und Bayern finanzieren es. Acht bis neun Hilfesuchende kommen bei der Hotline täglich durch, etwa ebenso viele bleiben in der Warteschleife hängen. Denn die meisten Gespräche dauern etwa 25 Minuten, einige aber viel länger. „Wenn ein 60-Jähriger erstmals von sexuellem Missbrauch in seiner Kindheit erzählt, reichen eineinhalb Stunden manchmal nicht“, so Süfke.
Überwachung, Schläge, Drohung mit Kindesentzug
Die meisten Anrufer berichten von häuslicher Gewalt. Von Partnerinnen und Partnern, die „praktisch alles überwachen, die mit dem Entzug der Kinder drohen, die schlagen und prügeln“. Etwa jeder Zweite, der das daheim erleidet, sei gleichzeitig Opfer von psychischer und körperlicher Gewalt, so Süfke.
Männer, die von ihren Partnern misshandelt werden, machen Ähnliches durch wie Frauen, die häusliche Gewalt erfahren. Allerdings sind Frauen als Opfer klar in der Überzahl: Laut Kriminalstatistik wurden im Jahr 2018 in NRW rund 6350 männliche Opfer gezählt und rund 32.000 weibliche. Das sind nur die Fälle, die angezeigt wurden und somit der Polizei bekannt sind. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher sein.
Die meisten Männer, die kostenfrei die Nummer des Hilfetelefons wählen (0800 123 99 00), sind zwischen 31 und 50 Jahre alt. Etwa ein Drittel von ihnen kommt aus NRW, ein weiteres Drittel aus Bayern, die Restlichen aus dem ganzen Bundesgebiet. Bei den Tätern handelt es sich oft um Ehefrauen, Partnerinnen und um die eigenen Eltern.
Sorge: Coronakrise verschärft die Konflikte in den Familien
In den vergangenen fünf Wochen haben noch mehr Männer die Hotline angerufen als sonst, berichtet Ministerin Scharrenbach. Ein Zusammenhang mit der Coronakrise ist denkbar. „Ich mache mir Gedanken, ob die Familien das aushalten. Die Krise belastet die Familien sehr“, sagte sie. Die dunkle Jahreszeit sei ohnehin für häusliche Gemeinschaften eine besondere Herausforderung.
Bundesweit fehlen Frauenhäuser, ein „Männerhaus“ gibt es gar nicht. Acht Schutzplätze in Wohnungen stehen Männern in NRW heute zur Verfügung. Ein Haus in Düsseldorf soll nach und nach als „Männerhaus“ etabliert werden.