Düsseldorf. Die Verschiebung des CDU-Bundesparteitags verlängert auch im NRW-Landerverband die personalpolitische Hängepartie. Es wird kräftig spekuliert.

Der verschobene CDU-Bundesparteitag verlängert nicht nur die personalpolitische Hängepartie in Berlin bis ins nächste Jahr. Auch im NRW-Landesverband bleibt die seit Monaten schwelende Führungsfrage noch für längere Zeit unbeantwortet. Denn erst wenn klar ist, ob Ministerpräsident und CDU-Landeschef Armin Laschet als neuer Bundesvorsitzender in die Hauptstadt wechselt, können alle weitere Probleme zuhause gelöst werden.

Am Freitag wird sich der Landesvorstand zunächst zu einer Videokonferenz versammeln und wohl kurz und schmerzlos auch den für den 12. Dezember in Dortmund geplanten Landesparteitag absagen. Wenn der Bundesparteitag mit 1001 Delegierten am 4. Dezember in Stuttgart wegen der aktuell hohen Corona-Infektionszahlen nicht stattfinden könne, sei ein Treffen mit 600 Delegierten wenige Tage später in NRW ebenfalls kaum vermittelbar, gab am Montag CDU-Generalsekretär Josef Hovenjürgen zu verstehen.

Postengeschacher gefährdet die Wiederwahl-Chancen in NRW 2022

Bislang quält sich die Landes-CDU ziemlich mit der Laschet-Nachfolge, weil nicht klar ist, ob es ihn dauerhaft nach Berlin zieht. Sollte er Bundesvorsitzender werden, aber nicht Kanzlerkandidat oder Kanzler, könnte er doch lieber in der Landespolitik bleiben wollen. Sein Nachfolger als Chef der NRW-CDU wäre mithin ein besserer Grüßaugust.

Sollte es Laschet wiederum nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 ins Kanzleramt tragen, müssten die Landtagsfraktionen von CDU und FDP mitten in der Legislaturperiode einen neuen Ministerpräsidenten küren. Die nächste Landtagswahl findet schließlich erst wieder im Mai 2022 statt. Das Problem: Die NRW-Verfassung schreibt vor, dass der Ministerpräsident Mitglied des Landtags sein muss. Die Auswahl ist deshalb begrenzt.

Der aktuell einzige CDU-Landtagsabgeordnete, der über Willen, strategisches Vermögen, Regierungserfahrung und das richtige Alter für das höchste Amt verfügt, ist Verkehrsminister Hendrik Wüst (45). Der münsterländische Chef des CDU-Wirtschaftsflügels hat jedoch wegen mancher Jugendsünden als raubeiniger Generalsekretär des früheren Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers nicht nur Fans in der eigenen Partei.

Wüst-Gegner ventilieren deshalb seit Wochen abenteuerliche Ideen, wie sich alternative Personalkonstellationen basteln ließen. Die erfahrenen und beliebten Landesminister Herbert Reul (68, Innen) und Karl-Josef Laumann (63, Arbeit und Soziales), beide ohne Landtagsmandat, sollten etwa wahlweise Übergangsvorsitzende der NRW-CDU werden. Sie würden Laschet nach gescheiterter Berlin-Mission die gesichtswahrende Rückkehr nach Düsseldorf ermöglichen.

Wechselt Laschet ohne Rückfahrkarte nach Berlin?

Sollte Laschet hingegen Kanzler werden, würden Reul/Laumann demnach ein anderes Modell mittragen: CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen (61) könnte sich für ein halbes Jahr als Platzhalter zum Ministerpräsidenten wählen lassen, um dann für einen neuen CDU-Spitzenkandidaten zur Landtagswahl im Mai 2022 den Posten wieder zu räumen. Genannt werden hierfür Kommunalministerin Ina Scharrenbach und Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen.

Angeblich ließ man intern rechtlich sogar prüfen, ob nicht auch Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) für einige Zeit kommissarisch Regierungschef spielen könnte. Den Amtsbonus verschenken? Die Gedankenspiele erinnern manche Altvorderen grausig daran, dass die NRW-CDU über Jahrzehnte der schlimmste Intrigantenstadl der Union war, bevor ihn Laschet mit seiner leutseligen und moderierenden Art seit 2012 erstaunlich befriedete.

Mit der Verschiebung der Parteitage wächst nun bei manchem die Erwartung, dass im Frühjahr endlich ein klarer Schnitt vollzogen wird. Mit Posten-Geschacher gefährde man die Wiederwahlchancen in NRW 2022. „Wir brauchen eine vernünftige Aufstellung“, sagt ein einflussreicher Christdemokrat. „Manchmal kommen unter Zeit- und Entscheidungsdruck die besten Lösungen zustande“, meint ein anderer.

Inzwischen scheint nicht mehr ausgeschlossen, dass sich Laschet für Berlin „ohne Rückfahrkarte“ entscheidet. Setzt er sich im Frühjahr 2021 im Kampf um den CDU-Bundesvorsitz durch, könnte er unabhängig von der „K-Frage“ auch für den Bundestag kandidieren. Dann würde er in NRW rasch hintereinander seine Nachfolge in Landespartei und Ministerpräsidenten-Amt regeln. Jemand wie Wüst hätte zumindest ein Jahr Zeit bis zur Landtagswahl, um als klare Nummer eins an Statur zu gewinnen.

Dass Laschet als gescheiterter Kanzlerkandidat wie 1987 Johannes Rau oder 2002 Edmund Stoiber unbeschadet als Ministerpräsident weitermachen könnte, glauben ohnehin die wenigsten. Rau kandidierte einst in aussichtslose Lage, Stoiber verpasste als letzter Trumpf der Union das Kanzleramt bloß um 6000 Stimmen. Wohl kaum Blaupausen für Laschet.