Düsseldorf. NRW-Bauingenieure fürchten, dass es 2021 zu Verzögerung beim Autobahn-Bau kommt. Der neuen Autobahn GmbH drohe ein Holper-Start.

Knapp zwei Monate vor dem Start der neuen Autobahn-Gesellschaft des Bundes am 1. Januar wachsen in NRW die Sorgen vor einem Planungschaos auf den Autobahnbaustellen des Landes. „Wir haben Grund zur Annahme, dass der Übergang der Autobahn-Planung von Straßen.NRW auf die neue Bundesgesellschaft nicht so reibungslos über die Bühne geht, wie es nötig wäre“, sagte der Präsident der NRW-Ingenieurkammer-Bau, Heinrich Bökamp, der WAZ.

Unerwartet starken Rückgang bei öffentlichen Ausschreibungen

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Die Interessenvertretung der knapp 11.000 Bauingenieure in NRW registriert nach eigenen Angaben derzeit einen für eine zweite Jahreshälfte unerwartet starken Rückgang bei den öffentlichen Ausschreibungen im Fernstraßenbau für das Folgejahr. „Während sich sonst oft nur fünf Planungsbüros oder Bauunternehmen auf öffentliche Ausschreibungen im Fernstraßenbau bewerben, gibt es inzwischen nicht selten 20 Bewerber“, sagte Bökamp. Da es im Straßenbau aber weder an Investitionsmitteln noch an Bauvorhaben mangele, sei dies ein starkes Indiz für einen Planungsstau. Bökamp: „Offenbar wurden die Anlaufprobleme beim Aufbau einer so großen Organisationseinheiten wie der Bundesautobahn GmbH unterschätzt.“

"Verheerendes Signal"

Zudem drohe der neuen Gesellschaft zum Start ein massiver Personalengpass. „Der Autobahn GmbH ist es nach unserer Kenntnis nicht gelungen, aus den alten Straßen-Behörden der Länder genügend Planer und Ingenieure abzuwerben“, sagte Bökamp, der auch Präsident der Bundesingenieurkammer ist. Kommt es ab Januar zum Holper-Start der neuen Bundesgesellschaft, befürchtet er Bauverzögerungen und sogar -stopps auf den NRW-Autobahnen. „Das wäre ein verheerendes Signal für alle am Straßenbau beteiligten Branchen und natürlich für die Bürger“, sagte Bökamp. Tiefgreifende Störungen im Straßenverkehr seien dann nicht mehr auszuschließen.

130 Großbaustellen sind bis Ende 2021

Auf dem maroden NRW-Autobahnnetz wird derzeit so viel gebaut wie noch nie. Gut 130 Großbaustellen sind bis Ende 2021 projektiert, darunter so aufwändige Projekte wie der sechsspurige Ausbau der A43 zwischen Witten und Marl und der Neubau der A40-Brücke in Duisburg. Auch die Summen, die auf den NRW-Fernstraßen verbaut werden können, sind rekordverdächtig. Jahr für Jahr gibt der Bund rund fünf Milliarden Euro für den Erhalt und die Sanierung der Autobahnen aus. Mehr als ein Fünftel davon fließt nach NRW.

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Auch die NRW-Landesregierung blickt besorgt auf den Start der Bundesautobahn GmbH. Erst kürzlich hatte Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) überraschend deutlich einen reibungslosen Übergang angemahnt. „Wir können und wollen uns in Nordrhein-Westfalen keine Verzögerungen bei Bau und Sanierung erlauben“, so der Minister.

Autobahngesellschaft betont "intensive Zusammenarbeit"

Die Autobahn GmbH betonte auf Nachfrage, man arbeite mit dem Landesbetrieb Straßen.NRW seit Monaten intensiv zusammen und bereiten den Übergang der Projekte akribisch vor. „Sollte es bei einzelnen Projekten zu Problemen kommen, werden umgehend Gegenmaßnahmen erörtert und Lösungen zielorientiert entwickelt“, so ein Sprecher. Der Personalaufbau verlaufe planmäßig. Bundesweit sei der Personalübergang von den Ländern zum Bund zu 95 Prozent abgeschlossen. Das gelte auch für NRW. Vom Landesbetrieb Straßen.NRW sind nach früheren Angaben rund 2000 Mitarbeiter freiwillig in die neue Gesellschaft gewechselt.

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Die Autobahn GmbH übernimmt 2021 alle Aktivitäten rund um Bau, Planung, Sanierung und Betrieb des rund 13.000 Kilometer langen deutschen Autobahnnetzes. Bisher endeten die Zuständigkeiten für die Autobahnen an den Ländergrenzen. Die Gründung der Gesellschaft war 2017 zwischen Bund und Ländern vereinbart worden, um die Autobahn-Sanierung zu beschleunigen und damit Staus zu vermeiden.

GmbH braucht 600 Millionen Euro zusätzlich

Die neue Bundedesautobahngesellschaft braucht deutlich mehr Geld. Bisher sind im Regierungsentwurf für die GmbH rund 1,4 Milliarden Euro bereitgestellt – es gibt aber einen Mehrbedarf von rund 600 Millionen Euro. Das zuständige Bundesverkehrsministerium begründete dies in der vergangenen Woche mit höheren Personalkosten nach dem Abschluss eines Tarifvertrages sowie höheren Planungskosten. Außerdem gebe es einmalige Aufbaukosten der Gesellschaft etwa im IT-Bereich. Der Aufbau der Gesellschaft sei trotz „gewisser Schwierigkeiten“ gut vorangeschritten. (mit dpa)