Düsseldorf. Die Fälle von Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden weiten sich aus. Der NRW-Innenminister sieht sich selbst als Chefaufklärer.

Immer mehr Rechtsextremismus-Verdachtsfälle erschüttern die NRW-Polizei und sogar den Verfassungsschutz. Mehr als 100 Disziplinarverfahren laufen, fast täglich gibt es neue Hinweise. Nun wurde bekannt, dass gegen einen Polizisten aus Mülheim, der sich an den rechtsextremen Whatsapp-Chats beteiligt hatte, auch wegen Körperverletzung ermittelt wird: Er soll einen schon gefesselten Deutschen mit albanischen Wurzeln geschlagen haben. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) gerät weiter unter Druck und wurde am Donnerstag im Landtag dünnhäutig.

„Die Vorwürfe, ich hätte nichts getan, kotzen mich langsam an“, sagte Reul in einer Aktuellen Stunde. Ein Satz, aus dem heraus tönt, wie sehr der politische Streit um Rechtsextremisten in den Sicherheitsbehörden Fahrt aufnimmt. Landtags-Vizepräsident Oliver Keymis (Grüne) blieb gelassen und bezeichnete Reuls „K“-Wort nur als „unparlamentarisch“. Das Parlament selbst ist sich nur in Grundsätzlichem einig: Dass Hitler-Verehrer und Rassisten nichts in der Polizei verloren haben.

Reul: „Ich werde fürs Handeln bezahlt“

Es ist der alte Streit über eine Studie zu Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden, der den Landtag spaltet. Innenminister Reul glaubt nach wie vor nicht, dass es „eine Studie geben kann, die alle Probleme löst“. Aber der Wissenschaft wolle er dennoch vertrauen. Der neue Sonderbeauftragte für rechtsextremistische Tendenzen in der NRW-Polizei, Uwe Reichel-Offermann, werde für sein noch zu erstellendes Lagebild vorhandene Studien prüfen und auch neue wissenschaftliche Projekte in Auftrag geben. „Ich werde fürs Handeln bezahlt“, sagte Reul. Eine umfassende Studie biete keine schnellen Lösungen. Im Übrigen werde er, Reul, hier ähnlich konsequent vorgehen wie nach den Fällen von Kindesmissbrauch in Lügde und die Probleme benennen und am Ende lösen.

Gegen den Corpsgeist

Eine umfassende Studie könne zwar keine „Zauberlösung“ sein, aber wichtige Erkenntnisse liefern, sagte Grünen-Innenexpertin Verena Schäffer. Sie warb für den Zehn-Punkte-Plan ihrer Fraktion, in dem der Vorschlag steht, dem Sonderbeauftragten einen „Beirat“ mit Wissenschaftlern und anderen Fachleuten an die Seite zu stellen. Gegen falsch verstandenen Corpsgeist unter Beamten könne die Arbeitsplatz-Rotation helfen: Es müsse verhindert werden, dass Beamte jahrelang nur in Brennpunkten Dienst tun. Im Übrigen, so Schäffer, dürfe die Rassismus-Debatte nicht auf die Polizei verengt werden. Die bekannt gewordenen Fälle zeigten, dass auch Verfassungsschutz und weitere Behörden betroffen seien.

SPD-Innenexperte Sven Wolf spannte diesen Bogen noch weiter: Auch in den Finanzbehörden, im Schulbereich, in der Justiz, sogar bei Rettungsdiensten und Feuerwehr gebe es Probleme mit Rechtsextremisten. Eine anonyme Meldestelle, an die sich Polizisten vertrauensvoll wenden könnten, „wäre in erster Schritt“, so Wolf.

Marc Lürbke (FDP): „Diese Fälle sind ein Stich ins Herz der NRW-Polizei“

„Diese Fälle sind ein Stich ins Herz der NRW-Polizei“, sagte Marc Lürbke (FDP). Dennoch dürfte die Polizei nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Der Begriff „Studie“ sei inzwischen zu einem „Mythos“ und „Kampfbegriff“ geworden. Wichtiger sei ein umfassendes Lagebild, in das neue Erkenntnisse einfließen. „Polizeifeindliche Menschen“ seien ebenso ein Unding wie „menschenfeindliche Polizisten“, so der Liberale. Aus Sicht der AfD ist die Polizei „zu 99 Prozent untadelig“.

Dass immer mehr Fälle von Rechtsextremismus bei der Polizei bekannt werden, und man nicht mehr nur von Einzelfällen sprechen könne, wertet Innenminister Reul übrigens als Beleg für gute Aufklärungsarbeit: „Wir werden täglich neue Fälle aufdecken, bis wir am Ende sind.“