Rheda-Wiedenbrück. Studie: Coronavirus verbreitete sich bei Tönnies in kalter Luft über große Distanz. Forscher fordern Konsequenzen daraus für andere Bereiche.

Die Corona-Infektionen im Tönnies-Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück gingen offenbar von nur einem einzigen Mitarbeiter aus. Das Virus wurde dabei auf mehrere Personen in einem weiten Umkreis von acht Metern übertragen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Die Wissenschaftler fordern, daraus Konsequenzen im Umgang mit der Pandemie auch in anderen Bereichen zu ziehen.

Die hauptsächliche Übertragung des Virus fand demnach im Zerlegebetrieb für Rinderviertel statt, in dem die Luft permanent umgewälzt und auf zehn Grad Celsius gekühlt wird. Nach Ansicht der Forscher spielte dagegen die oftmals prekäre Wohnsituation der Arbeiter keine wesentliche Rolle bei der Verbreitung des Virus. Die Studie werde in Kürze in einem Fachjournal veröffentlicht, teilt das HZI mit.

Übertragung über relativ weite Distanzen

„Unsere Studie beleuchtet Infektionen in einem Arbeitsbereich, in dem verschiedene Faktoren aufeinandertreffen, die eine Übertragung über relativ weite Distanzen ermöglichen“, erklärte HZI-Forschungsgruppenleiterin Melanie Brinkmann. Aufgrund dieser Erkenntnis stelle sich die Frage, unter welchen Bedingungen auch in anderen Arbeits- und Lebensbereichen Corona-Infektionen über größere Entfernungen möglich sind.

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Die niedrige Temperatur, geringe Frischluftzufuhr und die konstante Luftumwälzung durch die Klimaanlage führte zusammen mit harter körperlicher Arbeit zur Übertragung des Virus über die Luft, sagt Prof. Adam Grundhoff, Mitautor der Studie. Sars-Cov2-Partikel könnten dabei über Aerosole über größere Distanzen getragen worden sein.

Abstandsregeln reichen hier nicht aus

„Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Faktoren generell eine entscheidende Rolle bei den weltweit auftretenden Ausbrüchen in Fleisch- und Fischverarbeitungsbetrieben spielen“, so Grundhoff weiter. Unter diesen Bedingungen sei daher ein Abstand von 1,5 bis drei Metern offensichtlich nicht ausreichend, um eine Übertragung zu verhindern.

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Nach derzeitigen Erkenntnissen ordnen die Behörden laut NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann dem Ausbruch bei Tönnies mittlerweile mehr als 2100 Corona-Infektionen zu. Hinzu kämen 67 weitere Fälle, bei denen ein Zusammenhang mit dem Schlachtbetrieb möglich sei. Todesfälle in diesem Zusammenhang gebe es bislang aber keine.