Düssedorf. Lage im Kreis Gütersloh scheint aus dem Ruder zu laufen. Lockdown ist nicht ausgeschlossen. Alle Mitarbeiter in Quarantäne, auch Clemens Tönnies.

Die hohe Zahl der Corona-Infizierten im Kreis Gütersloh versetzt die NRW.-Landesregierung in größte Sorge. Sie will nun mit allen Mitteln eine Ausweitung auf benachbarte Regionen verhindern, örtliche Krankenhaus-Kapazitäten für die Behandlung von Covid 19-Patienten sichern und besonders gefährdete Einrichtungen wie Pflegeheime aufwändig schützen.

„Ein Infektionsgeschehen wie dieses hat es in NRW noch nicht gegeben“, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Freitagabend. Die Lage sei schwieriger, als in voran gegangenen Fällen.

Bisher gibt es im Umfeld der Firma Tönnies in Rheda-Wiedenbrück 803 positiv Getestete. Es wurden aber erst Tests bei rund 1100 der rund 7000 Tönnies-Mitarbeiter ausgewertet. Womöglich ist die Lage noch schlimmer, als bisher bekannt. Tönnies-Beschäftigte wohnen an vielen verschiedenen Orten auch außerhalb des Kreises Gütersloh, insbesondere in den Kreisen Warendorf und Soest sowie in den Städten Bielefeld und Hamm.

Lockdown ist möglich

„Mit Blick auf die weite Streuung dieser Wohnorte und die hohe Zahl der Infizierten birgt dieser Ausbruch ein enormes Pandemierisiko“, warnte Laschet. Bundesgesungheitsminister Jens Spahn und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) hätten NRW und dem Kreis Gütersloh die volle Unterstützung zugesagt. Unter anderem stünden Bundeswehrsoldaten aus Augustdorf und aus anderen Militär-Standorten den Behörden vor Ort für Hilfe bereit.

Laut Laschet ist ein weit reichender Lockdown im Kreis derzeit nicht ausgeschlossen. Ein Krisenstab mit Vertretern der Bezirksregierungen Detmold, Arnsberg und Münster, Experten des Gesundheitsministeriums und des Landeszentrums für Gesundheit wurde eingerichtet.

"Quarantäne wird notfalls mit allen Mitteln durchgesetzt"

Laschet appellierte an alle Menschen, die in Quarantäne sind, diese einzuhalten. „Wenn das nicht gelingt, werden wir die Quarantäne mit allen Mitteln durchsetzen“, drohte er. Alle Mitarbeiter von Tönnies, die isoliert sind, würden mit Lebensmitteln versorgt.

Wegen der unübersichtlichen Wohnsituation vieler Tönnies-Mitarbeiter würden diesen Menschen erforderlichenfalls Wohnungen, Hotels oder Quartiere in Reha-Kliniken und Jugendherbergen angeboten, so Laschet. Dolmetscher sollen bei Verständigungsproblemen helfen.

Sorge in Westfalen vor Ausbreitung des Virus

Zahlreiche Städte und Landkreise in Westfalen befürchten nun ein Übergreifen des Corona-Ausbruchs auf ihre Regionen und treffen Vorsichtsmaßnahmen. Hamms Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann (CDU) warnte, die Pandemie habe nun „eine neue Dimension erreicht“. Die Angst geht um, die Pandemie im Kreis Gütersloh könnte für Westfalen ähnlich fatale Folgen haben wie im Frühjahr der Corona-“Hotspot“ Heinsberg für das Rheinland.

Im Kreis Warendorf wurden bisher mehr als 60 Coronafälle mit Bezug zu Tönnies gezählt. Es handelt sich um Mitarbeiter des Unternehmens, die jetzt unter Quarantäne gestellt wurden. Der Kreis Soest schickt sämtliche Tönnies-Mitarbeiter, die im Kreisgebiet wohnen, in Quarantäne, weil ein Covid 19-Fall dort im Zusammenhang mit dem Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück steht. In Hamm wurde für drei Schulklassen Quarantäne angeordnet, weil drei positiv getestete Schüler Kinder von Tönnies-Mitarbeitern sein sollen.

Einkauf und Schwimmbad statt Quarantäne?

Unterdessen stellt die für rund 7000 Tönnies-Mitarbeiter im Kreis Gütersloh verhängte Quarantäne die Behörden offenbar vor Probleme. Landrat Sven-Georg Adenauer (CDU) hatte in einem TV-Interview darüber geklagt, dass sich einzelne Tönnies-Beschäftigte nicht an die Auflagen hielten und beim Einkaufen und in Schwimmbädern gesehen worden seien.

Alle Tönnies-Mitarbeiter in Rheda-Wiedenbrück unter Quarantäne

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Am Freitagabend teilte der Kreis Gütersloh dann mit, dass die Quarantäne für sämtliche Mitarbeiter am Standort Rheda-Wiedenbrück gelte. Das betreffe auch die Verwaltung, das Management und die Konzernspitze. Einige Mitarbeiter können den Angaben nach aber in sogenannte Arbeitsquarantäne. Das heißt, dass sie sich nur zwischen Arbeits- und Wohnort bewegen dürfen. Das gilt auch für Clemens Tönnies.