Düsseldorf. NRW-Ministerpräsident Laschet und sein niederländischer Kollege Rutte haben sich am Dienstag in einer Video-Konferenz an die Bürger gewendet.

Als der niederländische Regierungschef Mark Rutte schon im dunklen Anzug in Den Haag vor der Kamera Platz genommen hat, ist der Stuhl im Büro von Armin Laschet in Düsseldorf noch leer. Die Zuschauer sehen geradewegs auf die Fotografie „Rhein II“ von Andreas Gursky, die der NRW-Ministerpräsident als Wandschmuck hinter seinem Schreibtisch so sehr mag. Dann knackt es zweimal in der Leitung, und ein mit geröteten Wangen strahlender Laschet füllt den Bildschirm.

Es ist die erste virtuelle deutsch-niederländische Pressekonferenz, die Rutte und Laschet am Dienstagnachmittag zusammen geben. Das hat einen praktischen und einen politischen Grund. Der praktische: Die niederländische Regierung will noch einmal eindringlich vor einer Reisewelle aus Deutschland am bevorstehenden langen Wochenende warnen. Selbst wenn es sich bei Strandwetter anders anfühlt: Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei. „Auch am kommenden Pfingstwochenende wird sich jeder fragen müssen, ob eine Reise über die Grenze wirklich notwendig ist“, warnt Rutte. Er könne nur „allen davon abraten, auf gut Glück in die Niederlande zu kommen“. Eine Reservierung in Unterkünften sei notwendig und die Behörden würden im Zweifelsfall ein sogenanntes „Check-Gespräch“ führen. Er habe aber natürlich keine Zurückweisung an der Grenze angeordnet.

50.000 Grenzpendler brauchten "keine Passierscheine"

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Der niederländische Ministerpräsident spricht als Erster und in seiner Muttersprache, obwohl er perfekt Deutsch kann. So viel protokollarische Rangordnung muss schon sein. Schließlich ist Rutte Regierungschef eines EU-Mitgliedsstaats und Laschet nur Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes. Noch zumindest. Und damit ist man auch schon beim politischen Grund für das virtuelle Treffen: Hier wollen sich zwei Vorzeige-Europäer mitten in der Corona-Krise präsentieren.

Er freue sich, „mit meinem Freund Armin Laschet“ an der weiteren Intensivierung der gemeinsamen Beziehungen zu arbeiten, sagt Rutte. Anders als andere Bundesländer hatte NRW nie seine Grenzen zu Belgien und den Niederlanden geschlossen. Für Laschet, der im Aachener Drei-Länder-Eck aufgewachsen ist, kam die Abschottung trotz ungeklärter Infektionswege nie in Frage. Er ist da Herzens-Europäer. Während in anderen Bundesländer mit markigen Worten davor gewarnt wurde, die Seuche aus Frankreich, Italien oder Österreich bloß nicht reinzulassen, hat Laschet von Anfang an den gemeinsamen Lebensraum mit den Nachbarn betont. Als vor einigen Wochen ein Patient aus Italien im Bochumer Bergmannsheil gerettet werden konnte, ließ sich Laschet Samstagmorgens zur Entlassung des Genesenen ins Ruhrgebiet fahren.

Die Grenzen in NRW blieben gegen den allgemeinen Trend in Europa offen

Laschet erinnert nun vor den Journalisten nicht zufällig den „lieben Mark“ daran, wie sie „meistens am Wochenende“ telefoniert und die Lage „in unseren beiden Ländern“ erörtert hätten. Das klingt nach Augenhöhe. Formal ist NRW zwar ähnlich bevölkerungs- und wirtschaftsstark wie die Niederlande. Laschet steht der Sprung in die politische Bundesliga jedoch erst noch bevor. Im Dezember will er beim Bundesparteitag zum neuen CDU-Chef gewählt werden.

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Dass mit ihm wieder ein wenig Helmut-Kohl-Emphase in die deutsche Europapolitik einziehen könnte, macht bereits das digitale Kumpeln mit Rutte deutlich. „Wir haben es geschafft, auch auf dem Höhepunkt der Krise die Grenze zwischen unseren beiden Ländern offen zu halten. Das war gegen den allgemeinen Trend in Europa, es war ein großer Kraftakt, aber er war ein gutes Beispiel für Europa“, sagt Laschet feierlich. 50.000 Grenzpendler hätten sich frei bewegen können. „Sie brauchten keine Passierscheine“, schwärmt Laschet und erinnert an das 25. Jubiläum des EU-Abkommens zur Reisefreiheit von Schengen.

Selbst handfeste Meinungsunterschiede beim Merkel-Macron-Fonds zur Rettung der EU-Südländer lächelt Laschet weg. Rutte zählt zusammen mit Österreich, Schweden und Dänemark zu den „geizigen Vier“, die keine Vergemeinschaftung von Schulden in Europa wollen. Obwohl Laschet hinter Merkels Plan steht, nimmt er Rutte in Schutz: „Ich finde solche Adjektive wie geizig und sparsam passen nicht, jeder hat gute Argumente.“