Neuss. Im Hammer Präsidium blieb ein Unterstützter von Rechtsterroristen jahrelang unbehelligt. Jetzt soll landesweit besser aufgepasst werden.

Michael Frücht ist seit bald 43 Jahren Polizist und gehört als Direktor des Landesamtes für Ausbildung und Fortbildung zur Führungsriege des riesigen NRW-Sicherheitsapparats mit 50.000 Beamten. Man merkt ihm an, dass er stolz ist auf den harten Auswahlprozess, den ein angehender Polizist nehmen muss. „Polizeibeamte brauchen einen klaren Wertekompass, eine Generalklausel für unser Handeln, was richtig und falsch ist“, fordert Frücht.

Umso bestürzter ist er über die Vorgänge im Polizeipräsidium Hamm: Im Februar wurde dort ein Mitarbeiter durch die eigenen Kollegen festgenommen. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der Unterstützung einer rechtsterroristischen Zelle ermittelt. Am vergangenen Freitag musste Früchts Behörde in gleicher Angelegenheit auch noch die Entlassung eines Polizisten und eines Verwaltungsmitarbeiters veranlassen. Chatverläufe, die im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die rechte Terrorzelle aufgetaucht waren, hatten erhebliche Zweifel an deren Eignung für den Polizeiberuf genährt.

Ist die Polizei von Neonazis unterwandert? Heißt es demnächst: „Polizei – dein Freund und Hetzer“, wie die FAZ im März etwas zugespitzt titelte? Davon kann angesichts der nackten Zahlen keine Rede sein. Bei 50.000 Mitarbeitern wurden in diesem Jahr gerade einmal 15 unterschiedlich gelagerte Verdachtsfälle in Sachen Extremismus registriert. Nach den Vorgängen in Hamm hat Innenminister Herbert Reul (CDU) trotzdem jede der 50 Behörden in NRW verpflichtet, einen „Extremismusbeauftragten“ zu benennen.

Im Hammer Präsidium blieb ein Terror-Unterstützer jahrelang unbehelligt

Am Montag kamen die Beamten erstmals zu einer Fachtagung in einem Ausbildungszentrum in Neuss zusammen. „Ich kann das mit dem ganzen Beauftragtenwesen doch auch nicht mehr ertragen“, sagte Reul entschuldigend zu den erschienenen Polizisten. Aber selbst wenn es nur sehr wenige Fälle seien und er auch generell „keinen bösen Verdacht“ gegen seine Leute hege, wolle er doch in jeder Behörde feste Ansprechpartner haben, die gefährliche Verirrungen einzelner Polizisten erkennen. Es sei wichtig, „dass man mit jemandem reden kann, ohne dass gleich eine Aktennotiz draus wird“, so Reul.

Im Hammer Polizeipräsidium wurden Hinweise auf die rechte Gesinnung des mutmaßlichen Terror-Unterstützers lange übersehen. Der Mann las schon von zehn Jahren im Dienst die Zeitung „Junge Freiheit“, ließ zuhause auf dem Balkon die Reichskriegsflagge wehen und erschien zum Dienst im Pullover des in rechten Kreisen beliebten Modelabels „Thor Steinar“. Den EU-Sternenkranz auf seinem privaten Autokennzeichen hatte er überklebt und ungeniert gegen die „Lügenpresse“ gehetzt. Es gab in der Behörde zwar die Bitte um politische Mäßigung, aber nie ein Disziplinarverfahren.

"Die Null-Toleranz-Strategie gilt auch für uns selber"

„Es gibt in der Polizei keine Entschuldigung, wenn man sich nicht darum kümmert“, kritisierte Reul am Montag das Vorgehen in Hamm. Er hält den Rechtsterrorismus hierzulande inzwischen wieder für die größte Herausforderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Halle, Hanau, Kassel – Orte, die in jüngerer Vergangenheit traurige Berühmtheit erlangt haben. Reul sieht zwar bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass Neonazis gezielt Polizeibeamte anwerben wollen. Doch sein Credo lautet: „Die Null-Toleranz-Strategie gilt auch für uns selber.“

Die Extremismusbeauftragten der Behörden müssen nun Kriterien entwickeln, nach denen sie auffällige Kollegen ansprechen können. Das ist gewiss nicht leicht, da es in der Polizei stärker als in anderen Berufsgruppen einen Korpsgeist gibt und im oft robusten Dienstalltag auch künftig nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden soll. Wenn es jedoch ernsthafte Anhaltspunkte für eine extremistische Gesinnung gibt, wünscht sich der Innenminister Kollegen, „die aufstehen und sagen: So geht das nicht“.

Hinweise sollten „niederschwellig“ aufgenommen und umgehend an die Behördenleitung weitergereicht werden, erklärte Polizeidirektor Frücht. Selbst Lebenszeitbeamte könnten am Ende mit Gehaltskürzungen oder der Entfernung auf dem Dienst hart bestraft werden. „Die Polizei kann nur wirkungsvoll in der Öffentlichkeit auftreten“, sagte Reul, „wenn wir selber eine saubere Weste haben.“