Düsseldorf. CDU und FDP hatten 1500 Meter bis zur nächsten Wohnbebauung festgelegt. Jetzt will der Bund maximal 1000 Meter gesetzlich festlegen. Was nun?

Für die einen sind sie die Zukunftstechnologie der Energiewende, für die anderen der rotierende Schrecken in der Nachbarbarschaft: Der Streit über den geplanten massiven Ausbau der Windenergie in NRW dürfte mit der jüngsten Einigung der Großen Koalition zum Ökostrom-Ausbau neu angefacht werden.

Die Unterhändler von CDU und SPD im Bund haben sich nach langem Ringen darauf verständigt, das Baugesetzbuch zu ändern. Die Länder sollen künftig einen Mindestabstand zwischen Wohnbebauung und Windrädern von bis zu 1000 Metern gesetzlich festschreiben. 1000 Meter – gerne weniger, aber eben auch nicht mehr. Einzige Ausnahme: Bayern darf seine alte Regelung beibehalten, derzufolge der Abstand eines Windrades zur Wohnsiedlung zehnmal so groß sein muss wie die Anlage hoch ist. Das sind oft mehr als zwei Kilometer.

NRW-Koalition hat im Wahlkampf Bürgerzorn aufgegriffen

Für die NRW-Landesregierung ergibt sich nun eine schwierige Lage. CDU und FDP haben im Landtagswahlkampf den weitverbreiteten Bürgerzorn gegen „die Verspargelung der Landschaft“ aufgegriffen. Im Koalitionsvertrag und später im neu gefassten Landesentwicklungsplan wurde deshalb ein Mindestabstand von 1500 Metern zur nächsten Wohnbebauung empfohlen. Kommt nun die Korrektur?„Die neue Regelung bietet die Chance, einen guten Kompromiss zwischen dem notwendigen Ausbau der Windenergie und der Akzeptanz bei den Menschen auch im Baugesetzbuch zu verankern. In die konkrete Ausgestaltung der Regelung bringen wir uns intensiv ein“, erklärte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) am Mittwoch auf Anfrage unserer Redaktion eher allgemein.

Das Dilemma wurde in den vergangenen beiden Jahren immer deutlicher. Die Landesregierung hat Hoffnungen bei Anwohnern geweckt, die Rot-Grün bewusst abgewählt haben und keine Windräder in ihrer Nähe haben wollen. Die sauberen Riesenanlagen, die Schlagschatten und Dauergeräusche produzieren, fordert in der energiepolitischen Theorie zwar fast jeder – nur sollen sie eben nicht vor der eigenen Haustür stehen. Die Gerichte sind aktuell mit Dutzenden Anwohnerklagen befasst. Der Zubau an Windrädern ist 2019 eingebrochen.

Windkraft-Branche sieht durch pauschale Abstandsgebote Akzeptanz in Gefahr

Die Windkraft-Branche sieht durch pauschale Abstandsgebote wie in NRW die Akzeptanz der Energiewende weiter schwinden. Bundesweit ist es immer schwieriger geworden, genehmigungsfähige Standorte zu finden. An Rhein und Ruhr wurden im vergangenen Jahre gerade einmal 45 Windräder aufgestellt. Nach Berechnungen der Branchenverbände müssten es mehr als dreimal so viele sein, um die gesteckten Ziele der Energiewende zu erreichen. Die Landesregierung will die installierte Leistung aus Windenergie bis 2030 auf 10,5 Gigawatt verdoppeln.

Löst die Groko-Einigung in Berlin nun die Blockaden? Wirtschaftsminister Pinkwart hat immer wieder darauf hingewiesen, dass der 1500-Meter-Abstand nur für komplett neue Standorte gelte. Das sogenannte Repowering, also der Austausch alter Anlagen gegen leistungsstärkere neue, sei auch schon bislang möglich gewesen. Hier schlummere ein großes Potenzial für den Leistungsausbau.

Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) hofft, dass nun wieder Planungs- und Rechtssicherheit hergestellt werde. Jetzt komme es auf die Details an, etwa ab wann einzelne Häuser in der Nähe eines Windrades als „Wohngebiet“ gewertet werden. Der Verband hofft zudem, dass die Landesregierung interessierten Kommunen die Möglichkeit einräumen wird, auch einen Abstand von weniger als 1000 Meter festzulegen. Zuletzt sei „die Errichtung eines Windrades zur endlosen Bürokratieschlacht verkommen“, klagt der LEE-Vorsitzende Reiner Priggen.