Düsseldorf. Während die Furcht vor einer neuen Pandemie-Dynamik wächst, gehen gleichzeitig in NRW Hunderte gegen Infektionsschutz auf die Straße. Paradox?

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat angesichts zahlreicher Demonstrationen gegen die Corona-Einschränkungen zur Besonnenheit aufgerufen. „Wir müssen alle gemeinsam aufpassen, dass wir die neu gewonnenen Freiheiten nicht wieder verspielen. Das gilt natürlich auch für Demonstrationen. Jedem muss klar sein: Das Virus ist noch nicht besiegt“, sagte Reul am Sonntag unserer Redaktion. Der Minister appellierte an alle Demonstranten, „genau hinzuschauen, mit wem sie da gemeinsam auf die Straße gehen. Wir stellen nämlich fest, dass rechtsextreme Gruppierungen zunehmend versuchen, den Corona-Protest für ihre Zwecke zu missbrauchen“.

In mehreren NRW-Städten waren am Wochenende Hunderte Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Kontaktverbote zur Eindämmung des Corona-Virus zu protestierten. Bei einer nicht genehmigten Demonstration in Dortmund griff ein Rechtsextremer laut Polizei ein Presseteam des WDR an. Ein 23-Jähriger habe gegen die Kamera der Journalisten geschlagen und eine Person leicht verletzt, so die Polizei. Der Angreifer kam in Gewahrsam.

Innenminister Reul zeigte sich bestürzt über den Vorfall: „Gewalt gegen Medienvertreter wird von mir auf das Schärfste verurteilt. Die Pressefreiheit ist ein Grundrecht und steht unter dem besonderen Schutz unserer Verfassung. Sie steht damit auch unter dem besonderen Schutz der Polizei.“

Auch in Essen, Köln, Aachen und Düsseldorf kam es zu Protesten gegen die Infektionsschutzmaßnahmen. Von diesem Montag an lockert die Landesregierung zwar die bisherigen Kontaktbeschränkung, gestattet die Öffnung von Geschäften unabhängig von ihrer Größe, ermöglicht Gastronomie und Fitnessstudios wieder unter Auflagen den Betrieb und lässt ab dieser Woche wieder mehr Kinder in Kitas und Schulen. Einer wachsenden Zahl an Bürgern geht die Rückkehr in eine Normalität jedoch offenbar nicht schnell genug.

Die Corona-Panademie könnte derweil wieder an Dynamik gewinnen. Wie das Robert-Koch-Institut in einem Lagebericht mitteilte, soll die sogenannte Reproduktionszahl des Virus wieder auf 1,1 gestiegen sein. Damit würde ein Infizierter wieder mehr als einen weiteren Menschen anstecken. In NRW liegen aber außer Coesfeld, wo es einen Corona-Ausbruch unter Schlachtereiarbeitern gab, weiter alle Kreise und Städte deutlich unter dem von Bund und Ländern vereinbarten Grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen.