Düsseldorf. Die weitreichenden Befugnisse, die sich die Landesregierung zur Krisenbekämpfung im Eilverfahren sichern wollte, werden noch einmal überarbeitet.
Keine 48 Stunden hat es gedauert, da lenkte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) ein. Das geplante „Pandemie-Gesetz“ der Landesregierung wird nach harscher Kritik noch einmal überarbeitet. „Mit mir wird es in dieser Situation kein Gesetz ohne die Opposition geben“, stellte Laschet am Dienstagnachmittag klar. Er werde noch einmal „alles zur Disposition“ stellen und suche den „Geist der Gemeinsamkeit“. Laschet machte deutlich, dass er bloß „für den Tag x“ rechtlich vorsorgen wolle und alle neuen Befugnisse für seine Regierung "befristet" werden sollen.
Die Landesregierung hatte am Wochenende eine Art „Notstandsgesetz“ auf den Weg gebracht, das ihr bei einer weiteren Zuspitzung der Krise weitgehende Vollmachten verschaffen würde. So könnten die Ministerien bei einem nicht näher definierten Epidemie-Szenario ohne parlamentarische Kontrolle über Ärzte, Pfleger und medizinisches Material verfügen oder Schulabschlussprüfungen kurzerhand absagen. Das Ganze sollte an diesem Mittwoch im Eilverfahren durch den Landtag gepeitscht werden.
Formal wäre Schwarz-Gelb nicht auf die Zustimmung der Opposition angewiesen
Obwohl die schwarz-gelbe Koalition formal nicht auf die Zustimmung der Opposition angewiesen ist, hatte Laschet deutlich gemacht, dass er – wie schon beim Rettungsschirm für die Wirtschaft – den parteiübergreifenden Konsens suche. Dass ihm das böse Wort vom „Ermächtigungsgesetz“ entgegengeschleudert oder eine „Orbanisierung“ der Landespolitik unterstellt wurde, schien den Regierungschef überraschend zu treffen.
Am Dienstagmorgen kam es deshalb zu „einer deutlichen Aussprache“ zwischen Regierungsfraktionen und Opposition, berichtete Grünen-Fraktionschefin Monika Düker. SPD und Grüne machten dabei deutlich, dass sie auch unter dem Handlungsdruck der Corona-Krise nicht die parlamentarische Demokratie aushebeln lassen werden. Schwarz-Gelb zeigte sich offenbar einsichtig.
Es gebe „überhaupt keine Notwendigkeit, Blankoschecks für die Exekutive“ auszustellen, sagte Düker. Die Landesregierung könne sich nicht der Kontrolle des gewählten Landtags entziehen. Für regelrechte Empörung hatte der geplante Eingriff in die Berufsfreiheit gesorgt. Ärzte und Pfleger aus anderen Bereichen sollten zum Pandemie-Dienst herangezogen und medizinische Materialien praktisch beschlagnahmt werden können.
Zwangsverpflichtung für Pflegekräfte? Auch der DGB geht auf Konfrontationskurs
Es sei „nicht verhältnismäßig“, Kommunen, Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbände zu zwingen, Name, Alter und Ausbildungsstand von möglichen Pandemie-Helfern zu melden, monierte Düker. „Arbeitnehmer zwangszuverpflichten, die irgendwann einmal eine Ausbildung in der Pflege oder im Gesundheitswesen absolviert haben, geht zu weit. Das ist verstörend und kann keinesfalls hingenommen werden“, kritisierte auch die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in NRW, Anja Weber.
Jetzt die Kehrtwende. Kommende Woche Donnerstag dürfte – nach der Anhörung von externen Sachverständigen – ein deutlich entschärftes Krisen-Gesetz den Landtag passieren. In der Opposition wird derweil über die Motive für den autoritären Ausflug Laschets spekuliert. SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty hatte gemutmaßt, der bislang eher maßhaltend auftretende Ministerpräsident wolle womöglich seinem bayerischen Amtskollegen Markus Söder (CSU), mit dem er sich ein unausgesprochenes Fernduell um die nächste Kanzlerkandidatur der Union liefert, den Rang als härtester Corona-Krisenmanager ablaufen.
Die Grünen halten derweil handwerkliches Unvermögen nicht für ausgeschlossen. Laschets ansonsten hochgelobter Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski habe die Opposition „nicht ganz korrekt“ über das geplante Notstandsgesetz informiert. Es seien lapidar einige rechtliche Anpassungen angekündigt worden, dabei wäre NRW klar über die Notstandsregelungen des Bundes oder Bayerns hinausgeschossen. „Ob man uns über den Tisch ziehen wollte oder es nur dusselig war“, sagte Düker, „weiß ich nicht.“