Düsseldorf. Der Heinsberger Landrat Stephan Pusch erklärt, mahnt und tröstet auf allen Kanälen. Der CDU-Politiker ist der Star der Krise. Wie macht er das?
Als im Februar die Corona-Krise als erstes über den Kreis Heinsberg hereinbricht, weiß Stephan Pusch, dass Kommunikation jetzt alles ist. Aufklären, Informieren, Kümmern, Trost spenden – der Landrat muss Präsenz zeigen. Nur ist das im westlichsten Kreis der Bundesrepublik, der sich von Mönchengladbach fast bis nach Maastricht erstreckt und rund 250.000 Einwohner zählt, gar nicht so leicht. Zumal schnell klar ist, dass in Heinsberg das öffentliche Leben zum Erliegen kommen wird. Puschs Frau bringt ihn auf die Idee, sich mit einer täglichen Video-Botschaft direkt an die Bürger zu wenden.
Wo hat die NRW-CDU diesen Mann so lange versteckt?
Seither ist der 51-jährige CDU-Politiker zu einer Art Star der Pandemie geworden. Der Rechtsanwalt aus Hückelhoven setzt sich immer nach den Sitzungen des Krisenstabes, den er leitet, in sein Büro vor das an ein Wasserglas gelehnte Handy seiner Pressesprecherin und formuliert drauflos. Bis zu 350.000 Zuschauer finden seine Videos – für Botschaften eines Lokalpolitikers eine unglaubliche Einschaltquote. Längst sind auch die etablierten Medien auf Pusch aufmerksam geworden. Er gibt unermüdlich Interviews und ist regelmäßiger Gast in Talkshows.
Man fragt sich: Wie konnte die NRW-CDU diesen Mann, der schon seit 2004 Landrat im Kreis Heinsberg ist, bloß so lange in den Untiefen der Kommunalpolitik verstecken? Pusch hat die Gabe, ernsthaft und verständlich im rheinischen Idiom zu formulieren, ohne in Politiker-Floskeln abzurutschen. Er ist emotional und hemdsärmelig, ohne Zweifel an seinem Führungswillen zu lassen.
Klare Ansage: "Folgen Sie mir bitte, machen Sie das"
„Leute, begebt Euch in eine Ausgangssperre light“, appelliert er an seine Bürger. „Papa Pusch“, wie ihn der „Kölner Stadtanzeiger“ taufte, verbittet sich schon mal streng „asoziale Gepflogenheiten“ bei Hamsterkäufen im Supermarkt oder schimpft, wenn sich jüngere Heinsberger für die Ansteckungsgefahren „einen Scheißdreck interessieren“. Der fünffache Vater säuselt nicht herum, sondern verlangt: „Folgen Sie mir bitte, machen Sie das. Jeder Fall, der im Krankenhaus landet, ist einer zu viel.“
Als der Rest des Landes im Februar noch sorglos weitermacht wie bisher und allenfalls über die inzwischen berühmte „Kappensitzung in Gangelt“ als Infektionsherd schmunzelt, läuft Pusch längst zu großer Form auf. Im Kreis Heinsberg, der vom Corona-Virus so früh und hart gebeutelt wird wie bundesweit kein anderer, schließen sofort Schulen und Kitas. Großflächig wird Quarantäne verhängt. Der Kreis führt – gemessen an der Bevölkerung – die meisten Corona-Tests durch. Kaum einer will wahrhaben, dass Heinsberg der Ansteckungswelle in Deutschland bloß 14 Tage voraus ist.
Deshalb regt sich Pusch am Donnerstagabend bei „Lanz“ über Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf, der erklärt hatte, man wolle „kein zweites Heinsberg oder Ischgl“. Mit dem österreichischen Skiort, in dem selbst nach den ersten Corona-Fällen „noch eine Woche Party gemacht wurde“, will der Landrat sein Krisenmanagement nicht einen Topf geworfen sehen.
Die Pandemie kennt bei Pusch kein Parteibuch
Es trägt zu Puschs Glaubwürdigkeit bei, dass er in der Pandemie kein Parteibuch kennt. Er moniert, dass die schwarz-gelbe Landesregierung sich so schwer tut, die bedarfsgerechte Versorgung der Kliniken in NRW mit medizinischer Schutzausrüstung zentral zu organisieren. „Ich hänge da als Landrat stundenlang am Telefon“, ärgert er sich.
Weil die Bundeswehr den Heinsbergern nicht mit Labor-Kapazitäten hilft und stattdessen in Berlin ein provisorisches Krankenhaus unterstützt, arbeitet sich Pusch ohne Scheu an seiner Parteivorsitzenden ab, der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer: „Sind Menschen in Berlin wichtiger als bei uns in der Provinz?“
Die Stigmatisierung der Heinsberger als Seuchenvögel macht Pusch besonders zu schaffen. Unternehmen aus dem Kreis erhielten schon früh kaum noch Aufträge. Firmen aus dem Umland schickten Mitarbeiter aus Heinsberg wieder nach Hause. Puschs Pressesprecherin berichtet sogar von einem Schwimmbad, das vor der allgemeinen Schließung einen Fahrer mit „HS“-Kennzeichen ausrufen ließ und zum Gehen aufforderte.
„HS be strong“, lautet deshalb Puschs Durchhalteparole, die er bei seinen Video-Botschaften in die Kamera hält. Das Motto hat er von einem Freund, der sich für behinderte Kinder in einem integrativen Borussia-Mönchengladbach-Fanclub engagiert. Heinsberg sei stark! Der Landrat ist es schon.
(Das ist ein Artikel aus der Digitalen Sonntagszeitung)