Jerusalem. Im Wettstreit um den Parteivorsitz muss sich der Ministerpräsident in schwierigen Zeiten ausgerechnet in Israel beweisen. Wie er sich schlug.
Armin Laschet wischt eine Haarsträhne aus dem Gesicht und richtet die Brille. Die Stirn hat er in Falten gelegt. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident wirkt ungewohnt angespannt, als er am Sonntagmorgen im geduckten Empfangsraum des israelischen Staatspräsidenten in Jerusalem auf Gastgeber Reuven Rivlin wartet.
Im Rücken hat er ein deutsch-israelisches Fahnenduo, vor Augen ein großes Öl-Bildnis Jerusalems des Malers Jakob Steinhardt. Der wurde in Deutschland geboren und hatte auch in Düsseldorf ausgestellt, bevor er 1933 nach Palästina fliehen musste. Laschet kommt gerade von einer bedrückenden Begegnung mit der bald 88-jährigen Holocaust-Überlebenden Berthe Badehi im Archiv der Gedenkstätte Yad Vashem.
Irgendwann betritt Präsident Rivlin den Raum, begrüßt den Ministerpräsident jovial und will die Presse nach ein paar freundlichen Auftaktbildern vor die Tür schicken. So sieht es das Protokoll vor. „Statement?“, interveniert Laschet vorsichtig. Der Präsidentenstab wird unruhig. Rivlin aber hebt zu einem fünfminütigen Monolog an, in dem er Laschet „eine der wichtigsten, vielversprechendsten Persönlichkeiten seiner Partei“ nennt und „einen der Protagonisten in Deutschland“ und „einen großen Freund Israels“.
Wie trittsicher ist ein Landespolitiker im Ausland?
Rein strategisch hätte sich diese Israel-Reise allein für diese Sätze schon gelohnt. Laschets mehr als 30-köpfige Delegation treibt ja vor allem diese Fragen ins gelobte Land: Kann der Ministerpräsident auch Außenpolitik? Ist der freundliche Aachener diplomatisch trittsicher? Wird der 59-Jährige, der am 25. April zum neuen CDU-Vorsitzenden gewählt werden will, im Ausland bereits als nächster Kanzler wahrgenommen?
Laschet geht es aber nicht nur um seine persönlichen Haltungsnoten, sondern um eine klare diplomatische Note. Ohne Umschweife steuert er auf das Thema zu, das in Israel mit großer Sorge verfolgt wird: Die jüngsten rassistischen und antisemitischen Anschläge in Deutschland, das Erstarken von AfD und Rechtsextremismus. „Ich schäme mich, dass wir das in Deutschland 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz wiederleben“, sagt er zu Rivlin.
Wohl nicht zufällig greift Laschet den berühmten Satz aus der Knesset-Rede von Kanzlerin Angela Merkel 2008 auf, wonach die Sicherheit Israels „deutsche Staatsräson“ sein. „Ja, das stimmt“, sagt Laschet und fügt hinzu: „Aber Staatsräson ist auch, die Sicherheit von Juden in Deutschland zu garantieren.“
Der kurze Auftritt im Präsidentenpalast zeigt, dass "Landesfürst" Laschet kein außenpolitischer Anfänger ist. Auch bei heiklen Fragen etwa nach der aktuellen Flüchtlingskrise an der türkisch-griechischen Grenze, wittert er gleich die Gefahren. Sein Wort hat neues Gewicht. Ein Manager-Typ wie Friedrich Merz oder Norbert Röttgen als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses mögen weltläufiger daherkommen. Aber Laschet, der im Aachener Drei-Länder-Eck aufgewachsen ist, spinnt seit Jahren an seinem internationalen Netzwerk. Schon nach dem Abitur war er 1981 in Israel auf Pilgerreise. Als Bundestags- und Europaabgeordneter beschäftigte er sich intensiv mit internationalen Themen. Seit zwei Jahren füllt er mit Eifer das Amt des „deutsch-französischen Kulturbeauftragten“ aus, von dessen Existenz bis dahin kaum jemand wusste.
Und plötzlich klingt alles ein wenig nach Bonner Republik
Vor allem aber hat Laschet einen Sinn für die in der Diplomatie so wichtigen Symbole. Er eröffnet ein eigenes NRW-Büro in Tel Aviv und hat die Witwe der Gladbacher Trainer-Legende Hennes Weisweiler persönlich zu seiner Reise eingeladen. Dieser Tage jährt sich ein außenpolitisch wichtiges Spiel der Fohlenelf in Israel zum 50. Mal.
Am Sonntagnachmittag bringt Laschet noch den 75-jährigen Enkel Konrad Adenauers mit den Nachfahren des israelischen Staatsgründers David Ben-Gurion zusammen – 60 Jahre nach dem ersten Aussöhnungstreffen der Regierungschefs in New York. Laschet sitzt mit den Enkeln in Ben-Gurions ehemaliger Privatbibliothek in Tel Aviv zwischen 20.000 Büchern. Dann zieht er als Geschenk einen Stich des Kölner Doms hervor und lädt die Ben-Gurion-Nachfahren nach Rhöndorf ein, in Adenauers Heimat. Als wäre er schon der zweite Kanzler aus NRW.