Düsseldorf. Lange kokettierte der Ministerpräsident mit der K-Frage. Nun muss er vor der Zeit entscheiden, ob er nach Berlin wechselt. Das birgt Risiken.

Wie sehr Armin Laschet vom Rückzug Annegret Kramp-Karrenbauers kalt erwischt wurde, zeigte sich am Samstag zu vorgerückter Stunde. Der NRW-Ministerpräsident gab da in seiner närrischen „Ritterrede“ beim Aachener „Orden wider den tierischen Ernst“ einen launigen Ausblick auf den Morgen nach dem Wahlsonntag in Hamburg, der ausgerechnet auf den für Rheinländer heiligen Rosenmontag fällt. „Wenn AKK dann die Präsidiumssitzung eröffnet“, drohte Laschet, werde er singend protestieren: „Ich bin ene Öcher Jong.“

Dem 58-Jährigen Aachener dürfte danach kaum mehr der Sinn stehen. Vielmehr gehört er jetzt zu den natürlichen Anwärtern auf Kanzler-Kandidatur und CDU-Vorsitz. Ende 2018 hatte Laschet noch gezaudert, als es um die Nachfolge Merkels ging. Der Parteivorsitz sei mit den Amtspflichten des NRW-Ministerpräsidenten nicht zu kombinieren, sagte er damals. „Der Parteivorsitzende muss die Partei organisieren. Muss in den Verhandlungen der Großen Koalition die Position der Partei einbringen und muss diese dann nach außen vertreten, und das würde so viel Zeit beanspruchen, die mit dem Amt des Ministerpräsidenten nicht vereinbar ist“, erklärte er nachvollziehbar.

Laschet will die Union in ihrer ganzen Breite geeint sehen

Zählt das noch? Laschet hat die K-Frage lange eher genutzt, um seine Aktie „mit Fantasie aufzuladen“, wie es im Börsendeutsch heißt. Anders als Amtsvorgängerin Hannelore Kraft (SPD), die „nie, nie nach Berlin“ sagte, wollte er sich nicht auf Regionalmaß stutzen. Immer wieder redete er als Partei-Vize auf Bundesebene mit, distanzierte sich hier und da von AKK. Wenn er den Bogen überspannte wie durch ein denkwürdiges Doppel-Interview mit SPD-Altkanzler Schröder, nahm Laschet den Fuß im Kandidaten-Karussell wieder vom Gas.

So hätte das gut noch eine Weile weiterlaufen können. Zumal Laschet, der lange selbst in der CDU nicht richtig ernst genommen wurde, im Amt des NRW-Ministerpräsidenten an Statur gewonnen hat. Mit seiner schwarz-gelben Landesregierung regiert er trotz handwerklicher Schwächen weitgehend unfallfrei und hat mit der „Null-Toleranz-Linie“ von Innenminister Herbert Reul (CDU) sogar klug die Räume für die AfD an Rhein und Ruhr enger gemacht.

Nun aber will die Union bis spätestens zum Sommer klären, ob einer wie Laschet als Kanzlerkandidat und Parteichef den Laden zusammenhalten kann. Zu seinen eigenen Ambitionen hielt er sich in einer ersten Stellungnahme nach dem AKK-Rückzug am Montag bedeckt: „Jetzt gilt es, mit der programmatischen Breite unserer Vereinigungen und der regionalen Verankerung der Landesverbände in den nächsten Monaten gemeinsam mit der CSU ein überzeugendes Angebot an die Bürger zu entwickeln“, hieß es dort. Eine Chiffre für den Brückenbauer und Versöhner Laschet, der gerade nicht polarisiert?

Die Frage, ob er springt oder nicht, wird fortan Laschets ständige Begleiterin

Die Frage, ob er will oder nicht, wird den NRW-Regierungschef fortan auf Schritt und Tritt begleiten. Das gefahrlose Kokettieren ist vorbei. Er muss jetzt sagen, ob er springt. Wenn die Kanzlerkandidatur und der Parteivorsitz wirklich erst beim regulären CDU-Bundesparteitag im Dezember vergeben werden, könnte Laschet darauf hoffen, dass er beide Aufgaben für die begrenzte Zeit bis zur Bundestagswahl im Herbst 2021 schon irgendwie aus dem Ministerpräsidenten-Amt heraus bewältigen kann. Es wäre ein Bundestagswahlkampf mit Rückfahrkarte, wie ihn auch schon die Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber (CSU, 2002), Gerhard Schröder (SPD, 1998) und Johannes Rau (SPD, 1987) hingelegt hatten. Aber ist das bei den heutigen Reaktionszeiten in der Politik vorstellbar?

Andernfalls müsste Laschet vorzeitig in NRW zurücktreten. Es dürfte laut NRW-Verfassung nur ein Landtagsabgeordneter zu seinem Nachfolger gewählt werden. Realistischerweise käme dafür in der bis 2022 laufenden Legislaturperiode bloß der 44-jährige Verkehrsminister Hendrik Wüst in Frage. Möglicherweise bekäme die malade SPD an Rhein und Ruhr ohne den „Faktor Laschet“ aber wieder Luft unter die Flügel.

Anderseits kann Laschet schwerlich wieder abwinken, wenn es um höhere Aufgaben in Berlin geht. Würde er jetzt Friedrich Merz oder Jens Spahn, zwei konservativen Vertretern aus NRW, den Vortritt an die Bundesspitze überlassen, verkümmerte der Chef des größten CDU-Landesverbandes wohl zum Scheinriesen. Schwierige Fragen, über die Laschet am Montag in Ruhe nachdenken konnte. Orkan „Sabine“ hatte seine Reise nach Berlin unmöglich gemacht und den Terminplan durcheinander gewirbelt.