Düsseldorf. Warum NRW-Innenminister Herbert Reul auch bei seiner Personalpolitik nach dem Prinzip der Null-Toleranz-Linie verfährt.
Als NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) vor einem Jahr das neue Sonderdezernat „Gewalt gegen Personen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen“ bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft vorstellte, bekam die breitere Öffentlichkeit einen ersten Eindruck von Britta Zur. Und der war durchaus Respekt einflößend.
Die Staatsanwältin hielt sich damals nicht lange mit Juristen-Deutsch auf. Wer am Wochenende betrunken einen Polizisten in der Düsseldorfer Altstadt beleidige, „zahlt bei mir ein Monatsgehalt, auch wenn er nicht vorbestraft ist“, drohte Zur. Üble Beleidigungen gegenüber Amtsträgern, Rettungsdiensten und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes klage sie grundsätzlich an, „weil ich meine, der sollte mal vor dem Richter stehen“.
Diese Herangehensweise dürfte Innenminister Herbert Reul (CDU) motiviert haben, Zur zur neuen Polizeipräsidentin in Gelsenkirchen zu ernennen. Bei verschiedenen Veranstaltungen war man sich begegnet. Außerdem hatte Zurs Lebenslauf Reul beeindruckt: Die 39-jährige Prädikatsjuristin und Mutter von zwei Kindern hatte sich bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf in Rekordzeit zur Dezernentin für Mord und Totschlag hochgearbeitet. Seit 2018 war sie dann Pressesprecherin der Behörde und für Straftaten zum Nachteil von Amtsträgern und Einsatzkräften zuständig.
Polizeipräsidien werden immer häufiger von Polizei-Profis geführt
Solche Leute braucht Reul. Kurz nach seiner Amtsübernahme hatte der Minister bereits Uwe Jacob zum Polizeipräsidenten von Köln gemacht. Der heute 63-Jährige war bis dahin Direktor des Landeskriminalamtes und schaut auf eine lange Polizei-Laufbahn zurück. Als junger Kommissar ermittelte Jacob im Ruhrgebiet und hatte dort auch mit den „schweren Jungs“ der Organisierten Kriminalität zu tun. In Köln geht es immer noch darum, den Vertrauensverlust aus der Silvesternacht 2015/16 zu überwinden.
Auch bei den übrigen Ernennungen von Polizeipräsidenten ließ sich schnell eine neue Handschrift erkennen. Nach Wuppertal schickte Reul Anfang 2018 den Juristen und erfahrenen Düsseldorfer Polizei-Direktor Markus Röhrl. In Bochum übernahm zuletzt Jörg Lukat die Führung des Präsidiums, bis dahin Referatsleiter für Einsätze „in besonderen Lagen“ im Innenministerium. Der 56-jährige Lukat brachte als gebürtiger Hertener mit Streifendienst-Erfahrung im Ruhrgebiet sogar das gern gesehene Lokalkolorit mit. Das vergleichsweise kleine Präsidium in Oberhausen wird seit einigen Monaten vom jungen Staatsanwalt Alexander Dierselhuis (36) geleitet. Der Experte für Organisierte Kriminalität gilt als politisch bestens vernetzt und war zuvor als Geschäftsführer der sogenannten Bosbach-Kommission in die Staatskanzlei abgeordnet.
In keinem Bundesland sind die Polizei-Zuständigkeiten so zersplittert wie in NRW
Immer häufiger wird bei solchen Besetzungen die ungeschriebene Regel durchbrochen, dass ein politisch bestimmter Polizeipräsident nicht selbst Polizist sein sollte. Dadurch sollte einmal ein zu starkes Eigenleben des Sicherheitsapparats verhindert werden. Terrorgefahr, Clans, Cyber-Kriminalität – die Herausforderungen wachsen ständig, so dass Reul offenbar am liebsten Profis in die Spitzenpositionen bringt. Heute kann man es sich nicht mehr leisten, verdiente Parteifreunde zu Verwaltungschefs zu machen, die dort vor allem einen guten Neben-Bürgermeister abgeben und zum Polizei-Sportfest eine schmissige Rede halten können.
Gerade in NRW ist ein „Durchregierungen“ des Innenministers ja nur begrenzt möglich. Kein Bundesland leistet sich eine solche Zersplitterung von Zuständigkeiten. Es gibt 47 Kreispolizeibehörden. 18 arbeiten als Polizeipräsidien, 29 werden vom örtlichen Landrat als Polizeichef geführt. Die Kriminalpolizei hat in Olpe 35 Beamte, in Köln hingegen 1000. Je nach Schwere eines Delikts oder bei besonderen Einsatzlagen wird von Behörde zu Behörde übergeben. Wer sich wann kümmern soll, regeln zahlreiche Verordnungen und Erlasse.
Mit seiner Personalpolitik, neuen Ermittlungsschwerpunkten wie etwa im Bereich Kindesmissbrauch oder öffentlichkeitswirksamen Clan-Razzien versucht Reul seine „Null Toleranz-Linie“ in die Fläche zu bringen. Bislang erfolgreich: Umfragen zur Regierungshalbzeit wiesen zuletzt die Innenpolitik als eines der wenigen Themenfelder aus, in denen die NRW-Bürger eine wirkliche Verbesserung wahrnehmen.