Düsseldorf. Die NRW-Grünen feiern ihr Gründungsjubiläum mit Mitglieder-Boom und Traum-Umfragen. Warum 2020 das Jahr der Weichenstellung wird.
Die NRW-Grünen haben am Montag ihren 40. Geburtstag gefeiert, doch von Midlife-Crises ist bei der Öko-Partei wenig zu spüren. Vielmehr stehen sie so gut da wie noch nie in ihrer Geschichte: Die Mitgliederzahl ist inzwischen auf fast 19.000 geklettert – ein Zuwachs von über 4000 binnen eines Jahres. Die Umfragen sehen sie als klare Nummer zwei hinter der CDU. Bei der Europawahl holten sie in NRW zuletzt das Rekordergebnis von 23,2 Prozent und 1,8 Millionen Stimmen.
Während die SPD inzwischen selbst in ihrer einstigen „Herzkammer“ kaum noch Puls spürt und die CDU erkennbar bei jüngeren Großstädtern durchfällt, kommen die Grünen mit fast 41 Prozent Frauenanteil und einem Durchschnittsalter von 48,3 Jahren so jung und weiblich daher wie sonst keine Partei.
Grüne weiblicher und jünger als die anderen Parteien
Doch die Grünen-Landeschefs Mona Neubaur und Felix Banaszak wissen, dass ihr Aktienkurs zurzeit mit viel Fantasie aufgeladen ist, wie man an der Börse sagen würde. Der Themenwind mit Klimademonstrationen und Greta, der zunehmende Groko-Frust, die mauen Zufriedenheitswerte der schwarz-gelben Landesregierung und nicht zuletzt die Unbeschwertheit der Opposition – all das zahlt voll bei ihnen ein.
Die Grünen-Vorsitzenden nehmen für sich dennoch in Anspruch, auch selbst die richtigen Lehren aus dem Landtagswahldebakel 2017 gezogen zu haben. „Wir arbeiten seither sehr ernsthaft an uns selber“, sagt Neubaur. Die Zeiten der ideologischen Verbotspartei sollen offenbar vorbei sein. Man habe in der Vergangenheit möglicherweise „Verzicht überbetont“ und wolle nun „Menschen einladen, Teil des Wandels zu sein“, so Banaszak. Mehr inhaltliche Breite soll her, ohne dabei den ökologischen Markenkern zu verdecken.
Im Kommunalwahljahr wartet auf die Partei der Härtetest
Das Jahr 2020 wird dabei zum Härtetest. Die Grünen wollen nicht mehr nur Milieu- oder Klientelpartei der akademischen Großstadtmenschen sein, sondern sich auch im ländlichen Raum breit machen. Stolz ist man auf die jüngsten Ortsvereins-Neugründungen im sauerländischen Bestwig und Brilon oder in Geseke im Kreis Soest.
In Großstädten wie Bonn, Wuppertal, Essen, Dortmund und Düsseldorf will man mit eigenen Oberbürgermeister-Kandidaten antreten. Sollte das NRW-Verfassungsgericht am Freitag der Landesregierung bei der höchst umstrittenen Abschaffung der Stichwahl doch noch in den Arm fallen, wären die Aussichten schlagartig bei einem zweiten Wahlgang nicht schlecht. Ähnlich wie in Baden-Württemberg könnte in den Städten die Basis für einen Erfolg auf Landesebene gelegt werden. Für die NRW-Grünen, die vor 40 Jahren von so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Petra Kelly und Michael Vesper gegründet wurden, wäre es die nächste Neuerfindung.