Düsseldorf. NRW-Justiz setzt auf künstliche Intelligenz bei der Suizidprävention in den Gefängnissen. Bestimmte Bewegungsmuster werden dafür analysiert.

Scheinbar unbemerkt greift der Häftling nach der Schlinge, die er aus seinem T-Shirt geknotet hat. Wenige hundert Meter weiter im Überwachungsraum der Justizvollzugsanstalt leuchtet sofort ein rotes Alarmsignal auf: „Gefahr“. Wenige Augenblicke später öffnen Beamte die Zellentür und verhindern Schlimmeres. Eine neue Überwachungskamera, ausgestattet mit künstlicher Intelligenz, hat ihren Zweck erfüllt.

So oder so ähnlich stellt sich die NRW-Justiz eine spezielle Videoüberwachung vor, mit der in Zukunft die Zahl der Selbstmorde im Strafvollzug des Landes verringert werden soll. Vom Unternehmen Fusion Systems im sächsischen Chemnitz werde derzeit eine ereignisgesteuerte Videoüberwachung zur frühzeitigen Erkennung kritischer Situationen in Hafträumen entwickelt, kündigte Justizminister Peter Biesenbach (CDU) am Dienstag an.

Zelle wird nachgebaut

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„Das Vorhaben ist vollkommen neu und einmalig. Dementsprechend ist es zunächst als Forschungsprojekt zu verstehen“, so Biesenbach. Die erforderliche Software müsse noch entwickelt werden, um später brauchbare Ergebnisse zu liefern. 160.000 Euro lässt sich das Justizministerium das Projekt kosten.

Die Softwareexperten werden in Chemnitz einen NRW-typischen Haftraum nachbauen. Studierende übernehmen die Rollen als Häftlinge. Während der Probephase bringt das Unternehmen den speziellen Kameras durch Algorithmen bei, bestimmte Bewegungsmuster zu lernen und sofort zu erkennen. Als relevante Merkmale gelten beispielsweise auffällige Verhaltensweisen wie Bewegungsmuster bei einem Strangulationsversuch.

Bislang neun Suizide in diesem Jahr

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Die in der Zelle angebrachte Kamera übermittelt den Vollzugsbeamten aber nur Bilder von gefährlich erscheinenden Situationen, um die Persönlichkeitsrechte der Häftlinge zu schützen. Biesenbach hofft, mit dem Einsatz der künstlichen Intelligenz die 24-Stunden-Überwachung oder die als sehr belastend empfundene Zellenkontrolle alle 15 Minuten bei gefährdeten Häftlinge überflüssig machen zu können.

Insgesamt ist das Projekt für ein Jahr angelegt, anschließend soll eine Auswertung erfolgen und ein Modellversuch zunächst in einer Haftanstalt in NRW durchgeführt werden. Sollte sich das Projekt als Erfolg erweisen, ist ein flächendeckender Einsatz in allen 36 Haftanstalten geplant. „Wir erwarten uns von der neuen Technik kein Wunder, aber eine sinnvolle Ergänzung bereits eingeleiteter Maßnahmen“, so Biesenbach. In diesem Jahr gab es laut dem Justizministerium neun Suizide in den NRW-Gefängnissen. 2018 waren es 11, 2017 noch 13.