Essen. Erstmals seit 1966 wollte das Revier selbst seine Zukunft planen. Der Regionalplan scheiterte an widerstrebenden Interessen und Planungsmängeln.

Der Jubel war groß, als der Regionalverband Ruhr (RVR) Ende 2017 den Regionalplan Ruhr vorstellte. Von einem „historischen Ereignis“ war die Rede. Denn erstmals seit 1966 sollte es wieder eine einheitliche Flächenplanung für das gesamte Ruhrgebiet geben. Der Plan sollte nicht weniger als das Ende der Dreiteilung der Region durch die Planungsämter der Bezirksregierungen Arnsberg, Düsseldorf und Münster bedeuten. Endlich, so der Tenor der Beteiligten, nimmt das Ruhrgebiet seine Angelegenheiten selbst in die Hand. Das Scheitern dieses anspruchsvollen Projekts hat nach Ansicht von Kritikern nun ebenfalls historische Dimensionen.

Ein Ende des Kirchturmdenkens im Ruhrgebiet

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Nach einer Vorbereitungszeit von sechs Jahren hatte der RVR den Regionalplan im November 2017 vorgestellt. Er definiert Flächen für neue Wohnbebauung und Gewerbeansiedlungen, listete Gebiete für Landwirtschaft, Naherholung und Verkehr auf. RVR-Planungsdezernent Martin Tönnes sprach von einem „strategischen Zukunftsplan“ für das Ruhrgebiet, der ab Mitte 2019 rechtswirksam werden und zunächst bis 2034 gültig sein sollte.

Der große Wurf für die Zukunft des Ruhrgebiets

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Mit der Verabschiedung des Plans durch das Ruhrparlament im Juli 2018 erhielt das Ruhrgebiet die Kompetenz zurück, selbst über Wohnbau-, Gewerbeflächen, Grünzüge, Naturschutzgebiete und Verkehrswege zu bestimmen. Eine bessere Abstimmung über die Grenzen der Regierungsbezirke hinweg, schnellere Planungsprozesse und städteübergreifende Lösungen sollten möglich werden. Vor allem die Wirtschaft hoffte auf die Ausweisung von Großflächen für Gewerbeansiedlungen, der Wohnungsbau auf mehr Kapazitäten. Zugleich wurden wichtige Schienen- und Fernstraßenachsen festgelegt, die nicht überbaut werden durften.

Zuvor hatte es in einem mehrjährigen Beteiligungsverfahren intensive Verhandlungen mit allen 53 Städten und Gemeinden im RVR-Gebiet gegeben. Diese habe die Region zusammenrücken lassen, sagte Tönnes damals, ein Ende des oft beklagten Kirchturmdenkens schien greifbar.

Heftiger Streit um Ausweisung von Gewerbeflächen

Doch schon bald wurden kritische Stimmen laut. Die CDU-Fraktion im Ruhrparlament beklagte vehement, die ausgewiesenen Gewerbeflächen würden dem Bedarf nicht gerecht. „Die Metropole Ruhr läuft Gefahr, durch die restriktive Flächenpolitik von der Entwicklung der Nachbarregionen abgehängt zu werden“, warnte CDU-Fraktionschef Roland Mitschke. Wirtschaftsförderer und Industrievertreter der Region stimmten in die Klage ein.

Im Verlauf des öffentlichen Beteiligungsprozesses hagelte es Stellungnahmen und Einwände. Die RVR-Planer mussten sich über rund 5000 Eingaben mit knapp 10.000 Einzelhinweisen beugen, was den RVR offenbar personell überforderte und den Zeitplan torpedierte. Zugleich mahnten die Oberbürgermeister der Revierkommunen zur Eile. Sie wollten ihre geplanten Projekte umsetzen, wichtige Investitionsentscheidungen standen an. „Wir brauchen pragmatische Lösungen, keine weitere Verzögerung“, sagte etwa Bottrops OB Bernd Tischler.

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Unterdessen nahm der Streit um die Zahl der Gewerbeflächen an Schärfe zu. Der RVR musste sich des Vorwurfs erwehren, Umwelt- und Naturschutz Vorrang gegenüber wirtschaftlichen Belangen zu geben. Die wirtschaftliche Entwicklung des Reviers werde auf Jahre hinaus behindert. „Dieser Plan taugt nichts“, zog Oliver Wittke, Chef der CDU Ruhr und Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, im Mai 2019 eine Vernichtende Bilanz.

Die Debatte um den Regionalplan beginnt von vorne

Von Woche zu Woche wuchs die Gefahr, dass der Plan es nicht mehr vor der Kommunalwahl am 13. September 2020 durch die politischen Gremien schafft. Am gleichen Tag wird erstmals das Ruhrparlament direkt gewählt. Die Folge: Der 2400 starke Entwurf des Regionalplans Ruhr muss von den neuen Abgeordneten völlig neu verhandelt werden – Ende offen.

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Der Dortmunder OB Ulrich Sierau sah das Scheitern des ehrgeizigen Vorhabens kommen. Die Diskussion um den Regionalplan Ruhr drohe zu einer „Blamage erster Güte“ für das Ruhrgebiet zu werden, hatte Dortmunds OB Ulrich Sierau vor gut drei Monaten gewarnt. Er sollte Recht behalten.