Düsseldorf. Der SPD-Altkanzler wettet in einem ungewöhnlichen Doppel-Interview, dass der NRW-Ministerpräsident Kanzlerkandidat wird. Das ist kein Zufall.
Schon der Ort des Treffens ist ein Statement. Die „Rheinische Post“ hatte am vergangenen Mittwochmittag SPD-Altkanzler Gerhard Schröder und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) zu einem Doppelinterview im Düsseldorfer Rheinturm zusammengespannt. Rund 240 Meter über der Erde, höher geht es in der Landeshauptstadt nicht hinaus.
In diesem Ambiente lässt sich Laschet vom letzten lebenden Altkanzler unverhohlen fürs höchste Regierungsamt der Republik empfehlen. „Natürlich ist der nordrhein-westfälische Regierungschef immer ein potenzieller Kanzlerkandidat“, erklärt Schröder. Er lobt Laschet in den höchsten Tönen für „einen guten Job“ als Ministerpräsident und legt sich fest: „Ich würde ein gutes Abendessen in diesem schönen Restaurant darauf verwetten, dass die CDU am Ende auf ihn zukommen wird.“ Zur Bekräftigung erhöht er noch den Wetteinsatz: „Gut, dann ist noch eine Flasche Wein drin.“
Laschet gibt sich wenig Mühe, Schröders Schmeicheleien und den Angriff auf die Autorität seiner angeschlagenen Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer zumindest formal abzuwehren. Es sei „eine Binsenweisheit“, dass die K-Frage in der Union offen ist, befeuert er die Debatte. Zur bissigen Formulierung der Interviewer, die SPD habe aktuell gar keine Führung und die CDU eine Vorsitzende, die „schwächelt“, entfleucht Partei-Vize Laschet einzig der kokette Satz: „Das ist Ihre Formulierung.“
Ist Laschet das ideale Kompromissangebot an die politische Mitte?
Nach dem Rheinturm-Gipfel bestehen wohl keine Restzweifel mehr, dass Laschet nach der Kanzlerkandidatur der Union greifen will. Kramp-Karrenbauers zahllose Kommunikationspannen (Rezo, Meinungsmache, Maaßen) und die anhaltende Umfrageschwäche der Union bestärken den NRW-Ministerpräsidenten offenbar im Glauben, es besser zu können. Er ist inzwischen von allerlei Einflüsterern umgehen, die ihn zum idealen Kompromissangebot der Mitte erklären: Regiert mit der FDP, kann aber mit den Grünen, ist katholisch wie die Provinz und zugleich liberal wie die Großstadt, macht Law-and-Order-Politik und steht doch für Multikulti.
Obwohl Laschet erst vor gut zwei Jahren völlig unerwartet NRW-Ministerpräsident wurde, scheint ihm inzwischen der Gedanke zu gefallen, dass die Kanzlerkandidatur auf ihn zulaufen könnte. Mit jedem weiteren Monat GroKo schwindet Kramp-Karrenbauers Autorität im Schatten Merkels. Richtet sich da nicht irgendwann automatisch der Scheinwerfer auf den Vorsitzenden des größten CDU-Landesverbandes und Regierungschef des bevölkerungsreichsten Bundeslandes?
Die Ämter sind bislang noch immer auf Laschet zugekommen, nicht umgekehrt. Jürgen Rüttgers macht den damals vollkommen unbekannten Europaabgeordneten 2005 zum Landesminister. Norbert Röttgen machte sich mit einem verkorksten Landtagswahlkampf 2012 als CDU-Landeschef unmöglich. Karl-Josef Laumann wurde 2014 als NRW-Oppositionsführer nach Berlin weggelobt. Hannelore Kraft verlor 2017 eine Landtagswahl, die sie eigentlich kaum verlieren konnte.
Laschet wirbt für moderate Haltung gegenüber Russland
Ob es mit der K-Frage ebenso läuft? Möglicherweise macht Laschet die Rechnung ohne zwei andere NRW-Männer: Friedrich Merz und Jens Spahn. Oder ohne die „Werte-Union“, die für eine Basisbefragung zur Kanzlerkandidatur trommelt. Für Laschet, bislang mit eher miesen persönlichen Umfragewerten, wäre ein solcher Entscheid schwierig zu gewinnen.
Dass ausgerechnet SPD-Altkanzler Schröder so engagiert für Laschet wirbt, weckt mancherorts Argwohn. Der Putin-Freund und Lobbyist für die umstrittene Gas-Pipeline „Nord Stream 2“ wird sicher gerne sehen, dass Laschet als einer der wenigen Spitzenfunktionäre der Union für eine moderate Haltung gegenüber Russland argumentiert. Zudem scheint eine persönliche Nähe entstanden zu sein zwischen dem NRW-Regierungschef und dem Alt-Kanzler, dessen Frau Soyeon Schröder-Kim bei der Landestochter „NRW.Invest“ arbeitet und beim Interview mit der Rheinischen Post sogar zugegen ist. Vorsorglich hat Laschet selbst auf einen Umstand hingewiesen: Schröders Einfluss „auf Entscheidungen von CDU und CSU zur Kanzlerkandidatur ist extrem begrenzt“.