Düsseldorf. Das Land befragt 60.000 Bürger zu Gewalterfahrungen und Sicherheitsgefühl – und will die Betroffenheit männlicher Opfer aus der Tabuzone holen.

Die Landesregierung will 60.000 Bürger dazu befragen, wie sicher sie sich fühlen und welche Gewalterfahrungen sie gemacht haben. „Wir wollen ein realistisches Bild der Sicherheitslage in NRW“, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU) am Montag (19.8.) in Düsseldorf.

Mit der anonymen Befragung zu Gewalterfahrungen und Sicherheitsempfinden der Bürger in NRW will das Land auch in einem Bereich die „Lichter anschalten“, der laut Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) bisher zu sehr vernachlässigt wurde: Die Gewalt gegen Jungen und Männer.

Kölner Silvesternacht war Auslöser für Studie

„Das ist ein Tabu in unserer Gesellschaft, das wir aufbrechen wollen“, sagte die Ministerin. Gar wolle man in Zusammenarbeit mit Bayern Vorreiter beim Schutz männlicher Gewaltopfer sein. Im Frühjahr 2020 soll dazu gemeinsam mit dem Freistaat ein telefonisches und digitales Hilfsangebot geschaffen werden.

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„Ur-Auslöser“ für die Dunkelfeldstudie allerdings ist die massenhafte Belästigung von Frauen in der Kölner Silvesternacht 2015/2016. Mehr als 1200 Anzeigen waren damals eingegangen - vor allem wegen sexueller Übergriffe und Handy-Diebstählen. Hunderte Verfahren waren eingeleitet, aber nur ein verschwindend geringer Bruchteil der Beschuldigten verurteilt worden. Dazu wurden laut Innenminister Herbert Reul (CDU) wohl viele Übergriffe nicht angezeigt. „Das Anzeigeverhalten ist immer noch sehr unbefriedigend“, betonte auch Ministerin Scharrenbach.

Die 60.000 Bürger, die per Zufallsverfahren aus 81 Kommunen für die Teilnahme an der Dunkelfeldstudie ausgewählt worden sind, sollen nun Antworten liefern, warum gerade viele Sexualdelikte nicht zur Anzeige gebracht werden. Dazu wird unter 67 Fragen auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger abgefragt. „Die nachweislich verbesserte Kriminalitätslage ist die eine Sache. Das Empfinden der Bürger ist die andere“, sagte der Minister. Schließlich bestimme das Gefühl der Menschen das Handeln.

Erste Ergebnisse nächsten Sommer

Reul will deshalb erfahren, was die Bürger abseits der „schönen Zahlen“ beschwert – auch, wenn das „politisch nicht sehr angenehm“ werde, so der Minister. Er sorge sich aber nicht, mit dem Ausleuchten des kriminellen Dunkelfelds Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulisten zu geben. „Man muss Fakten nennen, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen, dass man sich kümmert.“

Ziel der 500.000 Euro teuren Studie ist es auch, den Opferschutz zu verbessern. Erfragt werden soll demnach auch, ob Beratungs- und Präventionsangebote bekannt und zufriedenstellend sind. Die Befragung startet heute mit dem Versand der Ankündigungsschreiben, vom 2. bis 13. September erhalten alle ausgewählten Personen dann die Fragebögen. Reul: „Wir bauen darauf, dass viele Bürger teilnehmen, um Licht ins Dunkel zu bringen.“

Ein erster Test habe eine Rücklaufquote von etwa 30 Prozent ergeben – laut Reul ist da noch Luft nach oben. Erste Ergebnisse soll das Bonner Institut „infas“ bis Sommer 2020 ausgewertet haben.