Essen/Dortmund. Strom, Verkehr, Wärme, Industrie – die drei Hochschulen im Ruhrgebiet wollen in einem Forschungsverbund den ökologischen Umbau vorantreiben.
Je mehr CO2 wir bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas in die Luft blasen, desto mehr erwärmen wir das Klima. Das klingt einfach – und ist es auch. Doch eine ökologische Umkehr wird alles andere als einfach.
Und die Zeit läuft davon: Um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, bleiben noch zehn Jahre Zeit, bis die Emissionen auf Null reduziert sein müssen, rechneten Klimaforscher in einer aktuellen Studie vor. Industrie und Verkehr dürften dann gar keine Treibhausgase mehr ausstoßen. Dafür müssten jetzt die Weichen gestellt werden. „Wir müssen unser Energiesystem komplett umbauen, und zwar im laufenden Betrieb“, sagt Christian Rehtanz, Professor für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der TU Dortmund.
„Wir haben uns zu spät auf den Weg gemacht“
Um die Energiewende anzuschieben, haben die drei Ruhrgebiets-Universitäten Bochum, Duisburg-Essen und Dortmund jetzt einen großen Forschungsverbund gegründet. Mehr als 70 Professoren und einige Hundert wissenschaftliche Mitarbeiter werden über Fächergrenzen hinweg in dem Kompetenzfeld „Energie – System – Transformation“ zusammenarbeiten, um Möglichkeiten der ökologischen Transformation in Metropolen wie dem Ruhrgebiet auszuloten und anzuschieben.
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Dabei geht es nicht nur um technische Lösungen, sondern auch um soziale, juristische und wirtschaftliche Fragen, erläutert Rehtanz als Sprecher des Kompetenzfeldes. „Wir haben uns zu spät auf den Weg gemacht“, sagt er. „Wie schaffen wir es bis 2050 mehr als 85 Prozent CO2 einzusparen? Wie kommen wir dahin und wie schnell?“
Probleme beginnen mit dem Stromleitungen
Diesen Fragen geht der Forschungsverbund der Universitäts-Allianz Ruhr (UA-Ruhr) auf den Grund. Die Botschaft ist klar: Ohne massive Fortschritte in der Energieeffizienz, bei erneuerbaren Energien und anderen grünen Technologien wird der Umbau hin zu einer klimafreundlichen Wirtschafts- und Lebensweise nicht gelingen. Doch auf dem Weg dahin stellen sich zahlreiche Herausforderungen:„Kohlekraftwerke abzuschalten ist einfach. Doch was passiert dann?“ sagt Rehtanz. Die Probleme beginnen mit den Stromleitungen. Trassenfindung, Landschaftsschutz, Raumplanung, Genehmigungsrecht – all das muss berücksichtigt werden. Ebenso Tier- und Naturschutz. „Das dauert Jahre.“ Und wir sind spät dran.
„Das Ruhrgebiet kann sich nicht selbst mit Energie versorgen“, sagt Rehtanz. Selbst wenn alle Dächer mit Solaranlagen bestückt würden, mache dies nur zehn Prozent des Bedarfs aus. „Wir brauchen also Windenergie von der Nordsee – und die nötigen Leitungen.“ Daran schließen sich die nächsten Fragen an: Hält der Ausbau der Netze Schritt? Wie halten wir sie stabil? Wie muss eine ökologische Mobilität in den Städten gestaltet sein?
Wenn nur noch E-Autos im Ruhrgebiet fahren würden
Neben der Gebäudedämmung gilt die Elektromobilität als wichtiger Schritt auf dem Transformations-Pfad. „Würden im Ruhrgebiet nur noch E-Autos fahren, würde das nur 20 Prozent CO2 einsparen. Daher muss also auch die Herstellung der Batterien CO2-frei sein.“
Die Konsequenz lautet also, die Produktion umzustellen und zugleich neue Technologien zu fördern. Hier kommt die Politik ins Spiel: Soll sie mit Prämien eine ganz bestimmte Technologie, also etwa den Kauf von E-Autos, ankurbeln oder besser auf eine CO 2 -Steuer setzen? „Dem Klima ist es am Ende egal, ob jemand einen Baum pflanzt, ein E-Auto kauft oder Biosprit tankt“, sagt Rehtanz. Bei all dem müssen die Bürger von den nötigen Schritten überzeugt sein. Die Verbraucher wünschen einen günstigen Strompreis, aber kein Windrad vor der Tür. „Wir müssen deutlich machen, welche Alternativen es zu fossilen Energien gibt und offen darüber diskutieren“, sagt Rehtanz.
Rückkehr zur Atomenergie? Oder mehr Wind- und Solarkraftwerke? Und wenn die hässlichen Überlandleitungen unter die Erde sollen wie in Bayern und dafür die Landschaft umgegraben wird – ist das den Bürgern Milliarden wert? All diesen Fragen gehen die Forscher des Kompetenzfelds in verschiedenen Schwerpunkten nach. Zugleich sollen mit Partnern aus der Industrie erste Lösungen in der Praxis erprobt werden. „Wir benötigen einen massiven Umbau in allen Sektoren, also Strom, Verkehr, Wärme, Gewerbe und Industrie.“ Und das möglichst rasch.