Düsseldorf. Auch Prominente sollen sich künftig an eine zentrale Stelle des Landes wenden können, um Hassredner anzuzeigen. Viele Täter kommen von rechts.
Das NRW-Justizministerium will Hassbotschaften im Netz künftig noch breiter bekämpfen. Künftig sollen sich auch „Menschen in exponierter Stellung“ wie Kommunalpolitiker oder Prominente an die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) wenden können, wenn sie im Internet bedroht werden.
Der Minister nennt die Ausweitung der Initiative auf Privatpersonen „eine Kampfansage an alle, die denken, dass sie ohne Konsequenzen Hass im Netz verbreiten können.“ Bislang konnten sich ausschließlich Medienhäuser und die Landesanstalt für Medien an die ZAC wenden und dort Absender politisch motivierter Hassbotschaften auf digitalem Wege anzeigen. Die ZAC versucht dann, den Absender zu identifizieren und ihn gegebenenfalls strafrechtlich zu belangen.
Oft geht es um Volksverhetzung
Seit Start der ZAC Anfang 2018 sind dort 400 Anzeigen eingegangen. Bei etwa der Hälfte wurde der Anfangsverdacht einer strafrechtlich relevanten Äußerung bestätigt. Etwa 70 Tatverdächtige konnten anschließend ermittelt werden. „Es kommt immer sehr auf den Kontext an, welcher Kommentar strafbar ist und welcher von der Meinungsfreiheit gedeckt ist“, erläutert Staatsanwalt Christoph Hebbecker von der ZAC. Bei manchen Postings allerdings sei die Strafbarkeit eindeutig.
Als Beispiel nennt Hebbecker die Kommentare eines Internetnutzers, der vor dem Amtsgericht Dinslaken zu acht Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe von 1500 Euro verurteilt wurde. Der Beschuldigte postete ein Bild von einem Maschinengewehrschützen aus dem Zweiten Weltkrieg mit der Überschrift: „Das schnellste Asylverfahren aller Zeiten: Lehnt bis zu 1400 Asylanträge in der Minute ab.“ Darunter kommentierte der Nutzer mit den Worten „Die Räder müssen wieder rollen, werft die Öfen an“. Bei so einem Fall sei die Sache klar, „eindeutig Volksverhetzung“, sagt Hebbecker.
Viele Täter kommen aus der Nazi-Szene
Ohnehin komme ein erheblicher Teil der angezeigten Hassredner aus der Nazi-Szene. Hier finden sich Bilder von Hitler in verherrlichender Pose oder Nazi-Symbole. „Das ist relativ einfach zu verfolgen, weil es immer einen strafrechtlichen Anfangsverdacht begründet“, erläutert Hebbecker. Schwierig wird es allerdings, wenn derartige Postings in geschlossenen Facebook-Gruppen gemacht werden. Denn auch in der analogen Welt sind Hakenkreuze nur dann strafbar, wenn sie auf der Straße gezeigt werden. „Die Frage ist also: Ab wann gilt ein Posting wirklich als öffentlich?“, so Hebbecker. „Für viele Situationen gibt es da keine einheitliche Rechtsprechung.“
Schwierigkeiten bereitet den Strafverfolgern auch, dass viele volksverhetzende Kommentare längst nicht mehr größtenteils auf führenden Portalen wie Facebook zu finden sind. „Radikale bewegen sich zunehmend auf russischen Plattformen wie VK.com. Da fühlen sie sich sicher.“ Rechtshilfe von russischen Betreibern zu bekommen, sei allerdings ein Ding der Unmöglichkeit. „Aber wir haben auch Möglichkeiten, die Urheber von Hass-Postings zu identifizieren, ohne mit dem Betreiber zusammenarbeiten zu müssen.“
ZAC ist kein Ansprechpartner für den Normalbürger
Diese Urheber sind nicht nur dem ultrarechten Spektrum zuzuordnen. Eine zweite große Gruppe bilde einen „breiten Querschnitt der Bevölkerung“ ab, sagt ZAC-Leiter Markus Hartmann. „Die Beschuldigten sind dann völlig erstaunt, wenn wir sie ermittelt haben und bei ihnen vor der Tür stehen“. Auch für Justizminister Peter Biesenbach ist die sogenannte „Hate Speech“ ein Problem, das gesamtgesellschaftlich „große Dimensionen angenommen hat“. Die Hoffnung: Indem sich künftig auch Privatpersonen, die in der Öffentlichkeit stehen, an die ZAC wenden können, soll der Prozentsatz der Ermittlungsverfahren in die Höhe getrieben werden.
„Der Kreis weitet sich auf Personengruppen wie Kommunalpolitiker, Sprecher jüdischer Gemeinden, Journalisten oder Spitzensportler aus“, sagt Biesenbach. „Es sind solche Fälle, die durch ihr demokratisches Engagement in eine Rolle kommen können, besonders Opfer von Hassbotschaften zu werden“, ergänzt Hartmann. Eine Zentralstelle für allgemeine Beleidigungen im Netz will die ZAC aber nicht werden. Das heißt: Der Normalbürger muss sich weiterhin an Staatsanwaltschaft oder Polizei wenden, wenn er sich als Opfer von Hass im Netz sieht. Hartmann: „Im Fokus der ZAC steht die politisch motivierte Hasskriminalität.“
Ob das Personal der ZAC für die neuen Aufgaben vergrößert werden muss, lässt Biesenbach noch offen. Sicher ist aber, dass die Abteilung für Hasskriminalität nun erst einmal bis mindestens Anfang 2020 weiter arbeiten kann.