Essen. Die Stadt Leverkusen halbiert die Abgaben für Unternehmen. Im Revier liegen die Sätze doppelt so hoch. Ein OB spricht von „Kannibalisierung“.

Im Wettlauf um günstige Unternehmenssteuern als Standortvorteil für die örtliche Wirtschaft gerät das Ruhrgebiet gegenüber der Rheinschiene zunehmend ins Hintertreffen. Nach Niedrigstsätzen bei den Gewerbeabgaben in Monheim und einer umstrittenen Abwerbe-Kampagnen der Stadt Langenfeld bei Firmen im Umland sorgt jetzt die geplante Halbierung der Gewerbesteuersätze in Leverkusen erneut für helle Empörung an der Ruhr.

„Das ist für mich gegenseitige Kannibalisierung“

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Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) und der Chef der Wirtschaftsförderung im Ruhrgebiet, Rasmus C. Beck, sprechen von „Kampf-Hebesätzen“ und einem Unterbietungswettbewerb der „Steueroasen.“ Baranowski, der auch Chef der Ruhr-SPD ist, warf der Stadt Leverkusen „unsolidarisches Verhalten“ vor. „Das ist für mich gegenseitige Kannibalisierung“, sagte Baranowski dieser Redaktion. Ruhr-Wirtschaftsförderer Beck forderte finanzielle Anreize von Bund und Land, damit die Revierkommunen ihre Hebesätze einheitlich senken könnten. „Die Gewerbesteuer-Schraube darf nicht unendlich weitergedreht werden - weder in die eine, noch in die andere Richtung“, sagte Beck.

Der Gewerbesteuer-Hebesatz soll ab kommendem Jahr nahezu halbiert werden

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Kern der Aufregung ist ein Beschluss des Leverkusener Stadtrats von Anfang dieser Woche. Eine Allianz aus CDU, SPD, FDP und diversen Bürgerlisten hatte sich für einen radikalen Schnitt bei den Kommunalabgaben in der Heimatstadt des Bayer-Konzerns ausgesprochen. Der Gewerbesteuer-Hebesatz soll ab kommendem Jahr nahezu halbiert werden – von 475 auf nur 250 Punkten. Damit sollen neue Unternehmen in die Stadt gelockt werden. Auch die für Hausbesitzer und Mieter relevante Grundsteuer B will Leverkusen reduzieren, freilich längst nicht so stark wie die Gewerbesteuer.

Im Ruhrgebiet geht die Entwicklung in die genau gegenteilige Richtung

Mit dem neuen Gewerbesteuersatz deutlich unter dem NRW-Durchschnitt von 428 Prozent würde Leverkusen auch bundesweit faktisch zur Steueroase für Unternehmen. Signalwirkung dürfte zudem entfalten, dass die 160.000-Einwohner-Kommune am Rhein die erste NRW-Großstadt ist, die ihre Kommunalabgabe derart drastisch senkt. Im Ruhrgebiet geht die Entwicklung genau in die gegenteilige Richtung. Unter dem Druck von Stärkungspakt-Auflagen und Haushaltssanierungen haben fast alle Revierkommunen in den letzten Jahren kräftig an der Gewerbesteuer-Schraube gedreht. Neben Oberhausen zählen Duisburg, Hagen, Witten, Mülheim und Bochum mit Hebesätzen teils deutlich über 500 Prozent zu den bundesweiten Spitzenreitern bei dieser Steuerart.

Dämpfende Wirkung des Steuerwettbewerbs

Der neue Chef des Steuerzahlerbundes NRW (BdSt), Rick Steinheuer, rät dem Ruhrgebiet, die Entwicklung in Leverkusen genau zu beobachten. „Wenn die Entlastungen dort zu Ansiedlungserfolgen führt, könnte das Modellcharakter haben“, sagte Steinheuer der WAZ. Steuerwettbewerb hält Steinheuer grundsätzlich für sinnvoll. „Denn er hat eine dämpfende Wirkung. Andernfalls würde die Abgaben-Entwicklung nur eine Richtung kennen: nach oben“, sagte der BdSt-Landesvorsitzende.

Nach einer Beispielrechnung des Steuerzahlerbundes muss eine GmbH mit 50.000 Euro Ertrag im Revier jährlich 8000 Euro Gewerbesteuer zahlen, in Leverkusen künftig knapp die Hälfte.