Essen. Der Gesundheitsminister hat bei der Ruhrkonferenz für eine faire Verteilung von Fachkräften in NRW geworben. Sein Plädoyer: weniger Wettbewerb.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat vor über 200 Vertretern aus der Gesundheits- und Pflegebranche angemahnt, Profit nicht weiter vor Patientenwohl zu setzten. „Ich habe oft erlebt, dass es immer nur um knallharte wirtschaftliche Interessen geht“, sagte Laumann auf dem Themenforum „Gesundheit und Pflege“ der Ruhrkonferenz. „Unser Leitmotiv muss aber patientenorientiert sein – und so müssen wir auch unsere Entscheidungen fällen.“

Beistand bekam Laumann von Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen. Die Gesundheitsbranche sei ein Bereich mit starken Machtstrukturen, in denen „viele Akteure schnell Widerstand aufbauen können, wenn sie ihre Interessen gefährdet sehen“, so Schmidt. Das dürfe kein Grund sein, unpopuläre Ideen einzubringen.

Ärzteplätze in überversorgten Gegenden nicht neu besetzten

Und von denen hatte Laumann noch mehr im Gepäck – wie die Forderung nach einer weniger wettbewerbsorientierten, dafür strafferen und detaillierten Krankenhausplanung. „Man muss nicht alles planen wie früher die SED, aber einen guten Weg hinkriegen zwischen Planung und Wettbewerb“, sagte der Minister. „Wenn in einer überversorgten Stadt in NRW eine vierte Kardiologie entsteht, dann braucht die kein Mensch. Das verschlingt unglaubliche Ressourcen“. Man müsse verhindern, dass in Bonn 75 Hausärzte auf 100.000 Anwohner kommen, im Kreis Herford dagegen nur 50 Ärzte auf dieselbe Anzahl von Menschen. „Wenn in Bonn ein Arzt in den Ruhestand geht, dann sollte man sich dafür einsetzten, dass dieser Arztplatz nicht neu vergeben wird“, schlug Laumann vor. „Das gibt zwar Ärger, aber das nützt ja nichts.“

Auch in einer Region mit einer beispiellosen Versorgungsdichte wie im Ruhrgebiet müsse man die Ressourcen gerechter verteilen. „Die Zukunft des medizinischen Fortschritts heißt Zentralisierung“, so Laumann. Auch müsse man im Ruhrgebiet gerade in der Altersmedizin vorangehen, weil die Region demografisch älter sei als der Rest des Bundeslandes. „Was wir hier schon haben, wird in fünf, sechs Jahren in anderen Regionen wichtig.“

Pflegeausbildung wieder „sexy“ machen

In zwölf Arbeitsgruppen diskutierten die Teilnehmer der „Ruhrkonferenz“ darüber, wie sich Potenziale der Metropolregion für Gesundheit und Pflege nutzen lassen.
In zwölf Arbeitsgruppen diskutierten die Teilnehmer der „Ruhrkonferenz“ darüber, wie sich Potenziale der Metropolregion für Gesundheit und Pflege nutzen lassen. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services

Die mahnenden Worte vom Podium im Saana-Gebäude auf Zollverein schienen zu einem fruchtbaren Austausch motivieren zu wollen. In zwölf Arbeitsgruppen versammelten sich die Ruhrkonferenz-Teilnehmer anschließend – Vertreter der Krankenkassen wie Krankenhäuser, der Freien Wohlfahrtspflege und Apotheken. Denn ein Anliegen des Ministers war es auch, für die sektorübergreifende Versorgung zu werben – also dafür, dass sich in NRW alle Akteure mehr miteinander vernetzen. Und dass sich die Trennlinien zwischen ambulant und stationär, Allgemein- und Fachmedizin auch auf Funktionärsebene mehr auflösen.

„Uns ist die Kommunikation untereinander etwas entglitten“, gab auch Volker Runge von der Gesundheitsselbsthilfe NRW zu, der die Arbeitsgruppe zu dem Thema moderierte, das Laumann am Anfang ganz oben auf die Agenda gesetzt hatte: die Patientenorientierung. „Wir hatten die Idee, mehr Patientenlotsen einzuführen, die zwischen den einzelnen Akteuren im Gesundheitssystem vermitteln“, so Runge. An einem anderen Tisch tauschte man sich darüber aus, „wie der Pflegeberuf wieder sexy werden kann“.

Pflege: Mehr als das Herz an der richtigen Stelle

So formulierte es zumindest Gruppenmoderator Thomas Evers aus dem NRW-Arbeitsministerium. Schon vor dem eigentlichen Konferenzbeginn hatte er „Gute Ideen gesucht!“ auf die digitale Tafel geschrieben – fett markiert, mit großen Ausrufungszeichen. Hat es geholfen? „Wir haben in der Gruppe einige interessante Dinge festgestellt“, erzählt Evers. „Zum Beispiel, dass man Menschen schon früh mit der Pflege in Verbindung bringen muss, dass Pflegekräfte vielleicht schon in Grundschulen von ihren Erfahrungen berichten könnten. So könnte man früh zeigen, dass Pflege mehr bedeutet, als schnelle Hände und das Herz an der richtigen Stelle zu haben.“

Die Erkenntnis einer weiteren Gruppe: Bei den Arbeitszeiten in der Pflege muss die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser werden. Das soll über ein neues Gesamtversorgungsangebot entstehen, das die Chancen für flexible Einsätze bietet, indem alle Einrichtung eines Trägers – ambulant und stationär – einen einheitlichen Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen abschließen. „Die Unternehmensdichte im Ruhrgebiet hat großes Potential, voneinander zu lernen und neue Ideen zu entwickeln“, erklärte Minister Laumann abschließend – und klang plötzlich wesentlich versöhnlicher.