Düsseldorf. Lassen sich Strategien für Auswege aus dem Extremismus auch auf türkisch-arabische Clans übertragen? Innenminister Reul will das jetzt prüfen.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) arbeitet an einem Aussteigerprogramm für Mitglieder krimineller Familienclans. Es werde geprüft, ob die Konzeption von Aussteigerprogrammen etwa zur Prävention von Extremismus „ohne Weiteres auf das Phänomen der Kriminalität türkisch-arabischstämmiger Großfamilien übertragen werden kann“, schreibt Reul in einer aktuellen Antwort auf eine Kleine Anfrage im Landtag.
Zur Bekämpfung der Clan-Kriminalität habe man bisher insbesondere repressive Strategien umgesetzt. „Die Landesregierung strebt an, daneben präventive Konzepte zu entwickeln und umzusetzen“, so Reul. Nordrhein-Westfalen hatte zuletzt als erstes Bundesland ein „Lagebild“ zu kriminellen Clans erstellen lassen. Das Landeskriminalamt konnte in den vergangenen drei Jahren 104 Großfamilien identifizieren, denen in diesem Zeitraum 6449 Tatverdächtige und insgesamt 14.225 Straftaten zugeordnet wurden. Das Lagebild zeigte allein zehn besonders aktive Clans, die rund 30 Prozent der erfassten Straftaten begangen haben sollen.
Das Ruhrgebiet gilt als Hotspot der Clan-Kriminalität
Das Ruhrgebiet ist nach Erkenntnissen der Ermittler ein absoluter „Hotspot“ der Clan-Kriminalität. Die mit Abstand meisten Straftaten (2439) wurden in Essen begangen, es folgen Gelsenkirchen (1096), Recklinghausen (1091), Duisburg (790), Bochum (782) und Dortmund (703). Bei den Wohnorten der Tatverdächtigen zeigt sich das gleiche Bild.
Über ein Drittel aller Clan-Straftaten sind sogenannte Rohheitsdelikte, also Nötigung, Raub oder gefährliche Körperverletzung. Aber in den vom Landeskriminalamt untersuchten Jahren 2016 bis 2018 wurden auch 26 versuchte oder vollendete Tötungsdelikte aktenkundig. Die meisten Clan-Mitglieder haben libanesische (31 Prozent), türkische (15 Prozent) oder syrische (13 Prozent) Wurzeln, es gibt aber auch eine beträchtliche Zahl an kriminellen Familienbanden mit deutschem Pass (36 Prozent).
„Jahrelang wurden die Hinweise der Bürger, aber auch aus Polizeikreisen zu diesem Problem geflissentlich ignoriert“, kritisierte Innenminister Reul mehrfach. Die Furcht, Migrantenfamilien zu stigmatisieren, sei zu groß gewesen. Seit dem Regierungswechsel in NRW 2017 wurde die Gangart der Polizei deutlich verschärft. Neben den Ermittlungen der LKA-Spezialisten kam es zuletzt im Ruhrgebiet immer wieder zu Großrazzien in einschlägigen Straßenzügen und Lokalen. Die Shisha-Bars seien häufig „nur die freundliche Fassade“ schwerster Kriminalität, sagte Reul und kündigte an: „Der Machtdemonstration der Clans müssen wir die Machtdemonstration des Staates entgegensetzen.“