Düsseldorf. Protest: Ex-Verkehrsminister Michael Groschek und andere altgediente Sozialdemokraten gründen eine Initiative mit dem Namen „Die wahre SPD“.

Prominente Sozialdemokraten aus der NRW-SPD warnen vor einem „Linksruck“ der SPD und vor dem kompletten Abräumen der Agenda-Politik. Sie haben eine Initiative mit dem Namen „Die wahre SPD“ gegründet. Dahinter stehen unter anderen der frühere NRW-Verkehrsminister und SPD-Landeschef Michael Groschek. Laut Groschek leisten auch die Kölner Regierungspräsidentin Gisela Walsken, die Rathauschefs von Dinslaken, Herford und Solingen sowie der Geschäftsführer der Bundesautobahngesellschaft, Gunther Adler, Widerstand gegen eine Neuausrichtung der SPD.

„Wir sind keine Verstaatlichungspartei und wollen keine Linkspartei 2.0 sein“, sagte der Initiator von „Die wahre SPD“, Hartmut Schmidt, dieser Redaktion. Schmidt ist seit 38 Jahren Sozialdemokrat und leitete bis 2006 den SPD-Unterbezirk Oberhausen. Mit seiner Warnung zielt Schmidt direkt auf Juso-Chef Kevin Kühnert, der Anfang Mai eine Verstaatlichungs-Debatte losgetreten hatte.

Gegen Enteignungsphantasien

Michael Groschek, der die NRW-SPD nach der verlorenen Landtagswahl 2017 ein Jahr lang führte, sagte, eine Linkswende und Enteignungsphantasien könnten kein Kursbuch sein für die SPD. „Die wahre SPD ist die Partei von Fortschritt, Innovation und Gerechtigkeit. Sie ist die Volkspartei der linken Mitte“, so der Oberhausener. Soziale Gerechtigkeit, ökologische Verantwortung und wirtschaftlicher Erfolg gehörten seiner Meinung nach zusammen. Es bringe der SPD nichts, den Inhalten der Grünen hinterher zu hecheln. „Ohne wirtschaftlichen Erfolg werden wir weder den Sozialstaat ausbauen, noch den Klimawandel sozialverträglich gestalten können. Wirtschaftlicher Erfolg braucht das Bekenntnis zu Leistung und Anstrengung, die belohnt werden müssen“, so Groschek.

„Die wahre SPD“ rät der Partei, auf die Erfahrungen ihrer Bürgermeister und Landräte zu setzen. Sie seien die „Anker der bürgernahen SPD“. Ihren Erfolg sollte die Partei für einen Wiederaufstieg nutzen. Die Initiative plant eine Konferenz im Ruhrgebiet, auf der die Unzufriedenen ihren Protest formulieren können.

NRW-SPD-Spitze berät über Auswege aus der Krise

Am Freitagabend traf sich der Vorstand der NRW-SPD in der Düsseldorfer Parteizentrale zur Krisensitzung. Unter der Führung von SPD-Landeschef Sebastian Hartmann beriet die Spitze des größten SPD-Landesverbandes Auswege aus der Krise der Bundespartei. Die Frage, wie es nach dem Rückzug von Ex-Parteichefin Andrea Nahles weitergeht, bewegt die NRW-SPD auch am Wochenende. Am Samstag treffen sich Funktionäre zu einer Konferenz. Ausgerechnet in Oberhausen, wo die Initiative „Die wahre SPD“ entsteht.

Die Spitze der NRW-SPD hat der SPD-Führungstroika einen Brief geschrieben. „Die jetzige Situation ist kein Warnschuss mehr – jetzt geht es um alles“, schreibt der Landesvorstand dem kommissarischen Parteichefs Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel. Die Autoren rufen nach einem solidarischen Staat und nach „Rot pur“ in der SPD.

Ex-Minister, Bürgermeister und Unternehmer warnen

„Ich bin Feuer und Flamme dafür“, sagt Michael Groschek über die Initiative der Unzufriedenen, die sich selbst den Namen „Die wahre SPD“ gegeben hat. Der Ex-Minister und Landesparteichef, heute Lobbyist beim Verband für Wohnungswesen, mischt sich also nach wenigen Monaten der Abstinenz wieder aktiv in die Politik ein. „Die wahre SPD“ ist ein Bündnis von Sozialdemokraten, die in der Vergangenheit aktiv waren oder noch in der Kommunalpolitik aktiv sind. Harald Schartau ist laut Groschek dabei, ebenfalls ein Ex-Minister und früherer Landesparteichef. Die Bürgermeister Michael Heidinger (Dinslaken), Tim Kähler (Herford) und Tim Kurzbach (Solingen) sollen mitmachen. Außerdem Ex-Wirtschaftsminister Ernst Schwanhold und der Dortmunder Stadtwerke-Chef Guntram Pehlke.

Es sind führende Köpfe der früheren NRW-SPD, meist Herren im fortgeschrittenen Alter, die gute Positionen hatten oder noch haben. Nun kämpfen sie dagegen, dass alles anders werden soll in ihrer SPD. Hartmut Schmidt (57) engagiert sich seit fast 40 Jahren in dieser Partei, leitete zwischen 1998 und 2006 den SPD-Unterbezirk Oberhausen und ist heute Chef einer städtischen Tochtergesellschaft. „Ich kann dieses Schwadronieren nicht mehr hören. Sind wir etwa die zweite Linkspartei“, ärgert sich Schmidt über Äußerungen vor allem aus Juso-Kreisen. „Wir werden nie die besseren Grünen werden“, da ist sich der Initiator von „Die wahre SPD“ sicher. Die Sozialdemokratie stehe vor allem auch für Wirtschaftskompetenz und müsse sich darauf konzentrieren, Alltagsprobleme von normalen Menschen zu lösen.

Zielt die Kritik auch auf die aktuelle Spitze der NRW-SPD?

Das Aufbegehren richtet sich klar gegen den SPD-Rebellen und Juso-Chef Kevin Kühnert. Es könnte aber auch auf die beiden derzeit führenden Köpfe der NRW-SPD bezogen sein. Offen wird das nicht gesagt, aber sowohl Landesparteichef Sebastian Hartmann (ruft gern nach „Rot pur“) als auch Landtags-Fraktionschef Thomas Kutschaty (kritisiert die Hartz-Gesetze und die große Koalition in Berlin) stehen eher für den Weg nach links als ihre Amtsvorgänger.