Düsseldorf/Berlin. . Die Tage nach den Wahlen könnten für die SPD zur Zerreißprobe werden. Der Ruf nach Personal-Veränderungen und einem Ende der Groko wird lauter.
Das relativ gute Abschneiden der Sozialdemokraten in den Niederlanden bei der Europawahl nährt die Hoffnung in der SPD, es könnte am Sonntag doch nicht so schlimm kommen, wie die Meinungsforscher es vorhersagen. Sollte die Partei aber in Europa deutlich unter 20 Prozent landen und noch dazu nach 70 Jahren die Macht in Bremen verlieren, dann wird es nicht nur eng für die Bundestags-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles, sondern auch für die Parteichefin Nahles, heißt es in NRW.
Zwei prominente Sozialdemokraten aus Nordrhein-Westfalen wurden zuletzt als mögliche Nachfolger für Nahles in der Bundestagsfraktion ins Gespräch gebracht. Der eine ist Martin Schulz. Er soll laut „Spiegel online“ von Nahles wegen eines „Putschversuchs“ zur Rede gestellt worden sein und der Fraktionschefin vorgeschlagen haben, wieder das Arbeitsministerium zu übernehmen. Der andere ist Achim Post, Chef der SPD-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen im Bundestag. Inzwischen kursieren weitere bekannte Namen, die zumindest Posts Ambitionen leicht dämpfen könnten: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.
Stephan Weil stünde bereit
Sämtliche Kandidaten, die für den Fraktionsvorsitz gehandelt werden, kommen aus NRW und aus Niedersachsen. Ein Zufall? Wohl kaum. Die Achse NRW-Niedersachsen ist in der Sozialdemokratie seit einiger Zeit bemerkenswert stabil. Die Landtagsfraktionen pflegen guten Kontakt. Zu Jahresbeginn trafen sich 50 SPD-Bundestagsabgeordnete dieser beiden Länder und Bremens zur Klausur in Osnabrück, demonstrativ vor zwei Dutzend Journalisten.
Zu den Gästen dieser Länder übergreifenden Runde zählte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Der nutzte die Einladung, um der kriselnden Partei zu erklären, wofür sie eigentlich steht. „Unser Alleinstellungsmerkmal, unser roter Faden ist der gesellschaftliche Zusammenhalt.“ Weil ist aber auch einer der wenigen Siegertypen, die die Partei derzeit aufbieten kann. Ein Landesvater, der ein Industrieland lenkt. Und es heißt, er stünde für den SPD-Parteivorsitz bereit, sollte Nahles diesen zur Verfügung stellen.
Ist die Groko praktisch schon am Ende?
Ein neuer Fraktionschef im Bundestag, ein Wechsel an der Parteispitze und ein rasches Ende der ungeliebten großen Koalition mit der Union – viele Genossen in NRW träumen davon. SPD-Landesvorsitzender Sebastian Hartmann und Landtags-Fraktionschef Thomas Kutschaty äußern sich nicht zu solchen Spekulationen, schon gar nicht wenige Stunden vor wichtigen Wahlen. Dass Kutschaty die große Koalition skeptisch sieht, ist sowieso bekannt.
Ein SPD-Landtagsabgeordneter aus dem Ruhrgebiet sagt, was offenbar einige seiner Fraktionskollegen denken: „Die Groko ist im Grunde schon am Ende. Die Frage ist nur noch, wie der Sterbeprozess organisiert wird.“ Er glaubt sogar, dass das Bündnis mit der Union nicht einmal bis zu der von der SPD geplanten Groko-Überprüfung im Dezember hält. Ein vorgezogener Parteitag, „sogar vor der Sommerpause“, sei möglich.
Maaßen-Personalie wirkt immer noch nach
„Nach den Wahlen am Wochenende wird etwas in der Fraktion passieren“, sagt ein SPD-Bundestagsabgeordneter aus dem Ruhrgebiet voraus. Spätestens seit Nahles’ Zustimmung zur Beförderung des umstrittenen Ex-Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen im vergangenen Sommer ist das Verhältnis zu Teilen ihrer Bundestagskollegen empfindlich gestört. „Ungeschickt“ sei ihr Vorgehen damals gewesen, heißt es. Sie hätte ihren Kurs mit Partei und Fraktion abstimmen sollen.
Andere Fraktionsmitglieder aus NRW hängen den Konflikt eher niedrig. „Die Nahles-Personalie wird in diesen Tagen größer gemacht als sie ist“, sagte der südwestfälische Bundestagsabgeordnete Wolfgang Hellmich dem Westfälischen Anzeiger. Es gebe zwar ein Grummeln, aber keinen Aufstand gegen sie.
Kampflos geht die Chefin nicht
Dass Andrea Nahles, die erste Frau an der Spitze der SPD, im Falle eines schlechten Abschneidens bei den Wahlen in Europa, Bremen und diversen Kommunalwahlen widerstandslos ihre Ämter zur Verfügung stellen könnte, davon gehen Beobachter allerdings nicht aus. „Passt nicht zu ihr. Die kämpft“, sagt ein Fraktionskollege.