Düsseldorf . Die Landesregierung hat vor drei Monaten erstmals einen Polizeibeauftragten ernannt. „Etikettenschwindel“, sagen die Grünen. Sie wollen mehr.

Polizeifehler beim Missbrauchsskandal in Lügde oder beim Tod eines unschuldig inhaftierten Syrers in der Justizvollzugsanstalt Kleve bestimmen seit Monaten die landespolitischen Schlagzeilen. Für die NRW-Grünen machen Vorfälle wie diese überdeutlich: Es braucht einen unabhängigen Polizeibeauftragten mit weitreichenden Befugnissen in Nordrhein-Westfalen.

Mit dem ersten eigenen Gesetzentwurf der Legislaturperiode hat die vergleichsweise kleine Oppositionspartei am Donnerstag nun ein umfassendes Konzept für eine solche Stelle vorgelegt. Danach soll der Landtag künftig für sechs Jahre einen Polizeibeauftragten wählen, der ähnlich wie der Wehrbeauftragte des Bundestages beim Parlament angesiedelt wäre. „Wir brauchen eine unabhängige Stelle, die vorbei an Dienstwegen funktioniert“, forderte Grünen-Innenexpertin Verena Schäffer.

Der Wehrbeauftragte des Bundestags als Vorbild

Der Polizeibeauftragte soll gleichermaßen als Ansprechpartner für Bürger und Polizeibeamte fungieren. Läuft etwas schief bei Einsätzen oder herrschen im Apparat Missstände, könnte er – im Zweifel auch vertraulich – eingeschaltet werden. Auch im Kampf gegen Mängel bei Ausstattung oder beim Arbeitsschutz würde die Polizei so einen Anwalt bekommen. Mit dem Recht auf Akteneinsicht oder Anhörungen verfügte dieser Polizeibeauftragte über eine starke Stellung. Ähnlich wie beim Wehrbeauftragen hätte er über einen öffentlichen Jahresbericht zudem die Möglichkeit, Handlungsempfehlungen auf die politische Agenda zu setzen. Nach den Vorstellungen der Grünen soll der Polizeibeauftragte mit einem Gehalt der Besoldungsstufe B6 (rund 9500 Euro) und neun Mitarbeitern ordentlich ausgestattet sein.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat zwar erst vor drei Monaten den früheren Dortmunder Polizeibeamten und ehemaligen Bundestagsabgeordneten Thorsten Hoffmann zum „Polizeibeauftragen“ ernannt. Für Schäffer ist das jedoch „Etikettenschwindel“. Die Position sei nicht für Bürger ansprechbar, könne nicht unabhängig arbeiten und besitze keinerlei Rechtsgrundlage, um Beschwerden und Hinweisen außerhalb des Dienstweges nachzugehen.

Reul zeigt sich offen für neue Fehlerkultur

Am Beispiel des Missbrauchsskandals in Lügde machte Schäffer deutlich, wie wertvoll es sei, im hierarchisch organisierten Polizeiapparat vertraulich Probleme an eine unabhängige Stelle weitergeben zu können: „Vielleicht hätte jemand aus einem anderen Kommissariat frühzeitig gemeldet: Das kann nicht gut gehen mit den Ermittlungen in der Kreispolizeibehörde Lippe.“

Die Forderung der NRW-Grünen nach einem unabhängigen Polizeibeauftragten ist schon einige Jahre alt. In den Koalitionsverhandlungen mit der SPD 2010 und 2012 konnte sich die Öko-Partei damit nicht durchsetzen. Die Sozialdemokraten waren angeblich stets darauf bedacht, den ihnen nahe stehenden Gewerkschaften vermeintliche Konkurrenz vom Hals zu halten.

Doch jetzt machen die Grünen ernst. Die Forderung passe „in die Zeit“, glaubt Schäffer. Die Grüne lobte sogar CDU-Innenminister Reul dafür, dass dieser vor einigen Wochen bei der großen Vereidigungsfeier für die neuen Kommissarsanwärter in Köln Tausenden Polizeischülern ausdrücklich einschärfte, sich bei Fehlern im Dienst nicht hinter einem falsch verstandenen Korpsgeist zu verstecken. „Wer Fehlerkultur ernst meint, muss strukturelle Antworten geben“, sagte Schäffer. Sie schloss nicht aus, dass sich Reul und Schwarz-Gelb für die Wahl eines unabhängigen Polizeibeauftragten öffnen könnten. Seit 2014 haben bereits andere Flächenländer wie Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg vorgelegt.

Für eine kleine Landtagsfraktion wie die NRW-Grünen ist die Erarbeitung eines eigenen 47-seitigen Gesetzentwurfs zwar ein ungewöhnlicher Kraftakt. Schäffer wertet es aber als Investition in die politische Zukunft nach 2022: „Wir sehen den Gesetzentwurf auch als Vorbereitung auf Koalitionsverhandlungen.“