Düsseldorf . Die Landesregierung startet in Essen erstmals ein „Townhall“-Format. Jeder kann kommen, Misserfolge der Zuwanderung sollen angesprochen werden.

Wenn NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) in der Vergangenheit bei Veranstaltungen mit Publikum über Chancen und Probleme der Migration diskutierte, stellte er häufig fest: Es blieb beim reinen Selbstgespräch von Gleichgesinnten, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren oder einer multikulturellen Gesellschaft mit freundlicher Neugier begegnen. Probleme der Zuwanderung in Nachbarschaft und Schule oder am Arbeitsplatz blieben meist unerwähnt, weil sich die Kritiker ohnehin unverstanden fühlten und gar nicht erst gekommen waren.

Das soll sich nun ändern. Stamp startet am kommenden Mittwoch (27. März) in Essen (18.30 Uhr, Fischerstraße 2-4) die etwas andere Politiker-Gesprächsreihe. Der Minister will sich einem „Wertedialog“ mit ganz normalen Bürgern stellen. Gedacht ist das im amerikanischen „Townhall“-Format. Keine große Bühne, keine langen Reden, keine Tagesordnung. Jeder kann kommen, der mitreden oder zuhören will. Stamp lädt gewissermaßen dazu ein, ihm auch mal die Meinung zu geigen.

„Politik ist zu oft bei den Schulterklopfern“

„Wir sind als Politiker zu oft dort, wo man sich gegenseitig auf die Schulter klopft“, findet der Vize-Ministerpräsident. Er wünsche sich vielmehr eine Debatte über Integration, in der positive Beispiele ebenso zur Sprache kommen wie Probleme und Ideen, wie man es besser machen könnte. „Fortschritt braucht Reibung“, sagt auch Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU), die sich ebenfalls der Debatte aussetzen wird.

Stamp erhofft sich auch ganz konkrete Anregungen, wie es im Miteinander der Kulturen in NRW besser laufen könnte: „Manche Dinge sieht man ja auch mit der Ministeriumsbrille, obwohl es vor Ort ganz anders erlebt wird.“ Nach dem Auftakt in Essen soll der „Wertedialog“ des Integrationsministeriums in insgesamt sechs Veranstaltungen in ganz NRW Station machen. Höhepunkt ist ein großer Integrationskongress im September in Solingen.

Keine vorsortierten Gäste und Themen

Bei der Vorstellung des neuen Gesprächsangebots hatte Stamp im Februar etwas flapsig vor der Landespressekonferenz angekündigt, er wolle „auch mit den sogenannten Wutbürgern“ diskutieren. Später bedauerte er diese Formulierung, weil er ja gerade aus den bisherigen Schablonen der Integrationsdebatte ausbrechen will. Wer Misserfolge der Zuwanderung und fehlende Integration am konkreten Beispiel beklage, sei ja nicht gleich ein „Wutbürger“.

Was gemeint war: Anders als etwa beim „Bürgerdialog“, mit dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) immer mal wieder durchs Land zieht, will die Landesregierung bewusst keine Teilnehmer des „Wertedialogs“ vorsortieren und keine Themenagenda setzen. Für ein wenig Ordnung im Essener Chorforum wird allein die Moderatorin Asli Sevindim sorgen. „Es ist ein Experiment“, räumt Stamp ein. Bewusst startet die Gesprächsreihe im Ruhrgebiet, wo man sich gerade im Essener Norden nicht selten allein gelassen fühlt mit der Integrationsarbeit.

Der „Wertedialog“ bettet sich ein in die Integrationskampagne „#IchDuWirNRW“, die das Land Ende des vergangenen Jahres gestartet hat. Mit zehn Plakatmotiven an 1600 Plätzen im Land sowie im Netz (ichduwir.nrw) werden erfolgreiche Beispiele von Migranten gezeigt, die es in Deutschland geschafft haben. Allein in NRW haben schließlich 25 Prozent der hier lebenden Menschen eine Zuwanderungsgeschichte. Stamp nimmt rund 1,4 Millionen Euro für die Kampagne in die Hand, die bis mindestens 2022 andauern soll. Das persönliche Gespräch kann das alles nicht ersetzen. Oder wie es der leidenschaftliche Kreisliga-Fußballer Stamp sagen würde: Die Wahrheit liegt auf dem Platz.