Essen. . Die elf Stadtbahn-Systeme in NRW entstanden alle in den 1970er- bis 90er-Jahren. Tunnel, Technik und Fahrzeuge müssen dringend saniert werden.
U-Bahn-Stationen, bei denen die Klinker von den Wänden fallen; zentrale Haltepunkte, die wegen dringender Ausbesserungen tagelang lahmgelegt sind; Fahrzeuge, die noch aus den 70-ern stammen; defekte Aufzüge oder Rolltreppen, die diese Funktion nur noch dem Namen nach erfüllen: Die Liste der Mängel und Baustellen bei den elf Stadt- und U-Bahnen-Systemen in Nordrhein-Westfalen ist lang wie eine Straßenbahn in Doppeltraktion.
Seit Jahren schon ist das Problem bekannt: Der hochsubventionierte U-Bahn-Bau aus den 1970er- und 80er-Jahren hat vielen Städten an Rhein und Ruhr zwar ein prestigträchtiges und vom Straßenverkehr einigermaßen unabhängiges und damit schnelles Nahverkehrssystem beschert. Doch für viele Kommunen wandelte sich der kommunale Gleisanschluss finanziell schnell zur Endstation Sehnsucht. Instandhaltung und Modernisierung der unterirdischen Gleis- und Tunnelanlagen gestalteten sich in der Folgezeit derart teuer, dass vor allem finanzschwache Kommunen von grundlegenden Maßnahmen die Finger ließen und nur das Nötigste in die Betriebstüchtigkeit steckten.
Eine Rolltreppe kostet einige Hunderttausend Euro
Angesichts der gewaltigen Summen, die die moderne Verkehrstechnik verschlingt, ist das kein Wunder. Beispiel: Schon die Neuanschaffung einer einzigen Rolltreppe für eine der zahlreichen U-Bahn-Stationen schlägt mit mehreren Hunderttausend Euro zu Buche. Allein in Essen sind über 140 solcher „Fahrtreppen“ verbaut. In Dortmund sind es sogar 189. Damit stecken die Verkehrsbetriebe bei der Sanierung in der Endlosschleife. „Wenn die letzte Rolltreppe erneuert ist, können wir mit der ersten wieder anfangen“, sagt Dortmunds Stadtwerke-Sprecher Bernd Winkelmann.
Anfänge in den 60er-Jahren
Die Stadt- und U-Bahnen im Ruhrgebiet sind Rudimente eines Großvorhabens aus den 1960er-Jahren. Ziel dieser „Stadtbahn Rhein Ruhr“ war ein einheitliches 300 Kilometer langes Stadt- und U-Bahnnetz im Ruhrgebiet, das überwiegend in Nord-Süd-Richtung das Gleisnetz der Bahn ergänzen und langfristig die Straßenbahnen ersetzen sollte. 1969 gründeten elf Ruhrgebietsstädte dafür die Stadtbahngesellschaft Ruhr, später kam Düsseldorf dazu.
Die Stadtbahnen sollten statt auf der Meterspur der Straßenbahn auf der breiteren Normalspurbreite fahren und in den Innenstädten in Tunnellage verkehren. 1977 wurde die erste Modellstrecke zwischen Essen und Mülheim eröffnet. Wegen hoher Kosten und technischer Probleme infolge von Bergsenkungen wurden viele Linien nicht oder nicht zu Ende gebaut. So sollte etwa die U35 (Bochum - Herne) bis nach Recklinghausen verlängert werden. Heute ist an der Haltestelle Schloß Strünkede in Herne Endstation.
Längst haben Technik und Bauten der Stadtbahnen das Ende ihrer Lebenszyklen weit überschritten. Schon 2012 warnte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen NRW (VDV), die Sanierung sämtlicher Stadtbahn-Anlagen des Landes werde in die Milliarden gehen und die Möglichkeiten der Verkehrsbetriebe und ihrer Kommunen weit übersteigen. Der VDV untermauerte seinen Vorstoß damals mit einem Gutachten. Das Ergebnis: Allein bis 2016 hätten die elf Stadtbahn-Betreiber insgesamt rund 1,1 Milliarden Euro in Erhalt und Erneuerung ihrer Anlagen investieren müssen. Für die folgenden Jahre bis 2025 wurde ein Bedarf von weiteren zwei Milliarden errechnet – im Jahr durchschnittlich 222 Millionen Euro.
Dortmund braucht 200 Millionen für neue Wagen
Gleichzeitig kam der VDV-Gutachter zu der Einschätzung, dass die betroffenen Kommunen nur rund ein Viertel der notwendigen Mittel für Sanierung und Erneuerung aufbringen können. Das Land habe daraufhin ein eigenes Gutachten erstellt, so der VDV, das seit Jahren unter Verschluss gehalten werde. Wohl nicht ohne Grund: Dem Vernehmen nach soll die Landesexpertise die VDV-Zahlen sogar noch übertreffen. Passiert sei bis heute aber nichts, sagte VDV-Geschäftsführer Volker Wente dieser Redaktion.
Nicht eingerechnet in die Kalkulation des VDV sind die Kosten für die Erneuerung des Fahrzeugparks. Allein die Dortmunder Stadtwerke brauchen für die Runderneuerung ihrer 64 Stadtbahnwagen und den Ankauf von 24 neuen Fahrzeugen in den kommenden Jahren rund 200 Millionen Euro. Die Duisburger Verkehrsgesellschaft DVG will 18 neue Stadtbahnwagen auf der U-Bahn-Linie 79 aufs Gleis setzen. Kostenpunkt: 61 Millionen Euro. (Weiterlesen: Pendler stehen in Duisburg-Trompet auf dem Abstellgleis)
Schwarz-Gelb nennt keine Summen
Die Not ist aus Sicht der im VDV organisierten U-Bahn-Betreiber also groß. Jetzt dringt der Verband auf ein neues Fördersystem des Landes, mit dem die betroffenen Städte ihren ÖPNV schneller auf Vordermann bringen können. Danach sollen die Verkehrsbetriebe insgesamt flexibler mit den Förderungen umgehen können, etwa indem vorfinanzierte Maßnahmen durch spätere Zuschüsse gedeckt werden können oder die projektbezogene Förderung bei regelmäßigen Erneuerungen durch eine Pauschale ersetzt wird.
Unterstützung erhält der VDV durch die schwarz-gelbe Landtagsmehrheit. In einem gemeinsamen Antrag setzen sich CDU und FDP für den Erhalt eines „bedarfsgerecht ausgebauten ÖPNV“ ein. Das Land werde die Kommunen dabei „nicht alleine lassen“. Summen, die für die U-Bahnen in NRW fließen könnten, nennt das Papier nicht. (Weiterlesen: Ruhrbahn investiert in Mülheimer U18-Strecke 35 Millionen)