Essen. . Die Stadt- und U-Bahnen stehen vor milliardenteuren Sanierungen. Doch den Kommunen fehlt das Geld. Die Branche fordert ein neues Fördersystem.

Mitten in die aktuelle Debatte um mehr Mittel zur Entlastung des Straßenverkehrs hinein tut sich in NRW eine milliardenschwere Finanzierungslücke bei den Stadt- und U-Bahn-Systemen auf: Die insgesamt elf vor Jahrzehnten im Land gebauten Stadtbahn-Netze befinden sich nach Angaben des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen VDV in einem derart desolaten Zustand, dass sie in den kommenden Jahren grundlegend saniert werden müssen.

Laut VDV-Berechnungen belaufen sich allein die Kosten für die Instandhaltung und Erneuerung von Tunnelanlagen, Gleisen, Signaltechnik, Rolltreppen und Oberleitungen auf einen dreistelligen Millionenbetrag jährlich. Hinzu kommen längst überfällige Investitionen in den teilweise veralteten Fahrzeugpark.

Ruhrgebiet ist besonders betroffen

Allein sechs der elf betroffenen NRW-Stadtbahnen fahren im Ruhrgebiet. Tief im Sanierungsstau stecken demnach die Bahnen in Duisburg, Oberhausen, Mülheim, Essen, Dortmund sowie – über die Bogestra – Bochum, Gelsenkirchen, Herne und Witten. Betroffen sind darüber hinaus Krefeld, Bonn, Köln, Düsseldorf und Bielefeld. Ein weiterer Sanierungsfall ist die Wuppertaler Schwebebahn, die verkehrsrechtlich als Straßenbahn geführt wird.

Anfänge in den 1960er-Jahren

Die Stadt- und U-Bahnen im Ruhrgebiet sind Rudimente eines Großvorhabens aus den 1960er-Jahren. Ziel dieser „Stadtbahn Rhein Ruhr“ war ein einheitliches 300 Kilometer langes Stadt- und U-Bahnnetz im Ruhrgebiet, das überwiegend in Nord-Süd-Richtung das Gleisnetz der Bahn ergänzen und langfristig die Straßenbahnen ersetzen sollte. 1969 gründeten elf Ruhrgebietsstädte dafür die Stadtbahngesellschaft Ruhr, später kam Düsseldorf dazu.

Die Stadtbahnen sollten statt auf der Meterspur der Straßenbahn auf der breiteren Normalspurbreite fahren und in den Innenstädten in Tunnellage verkehren. 1977 wurde die erste Modellstrecke zwischen Essen und Mülheim eröffnet. Wegen hoher Kosten und technischer Probleme infolge von Bergsenkungen wurden viele Linien nicht oder nicht zu Ende gebaut. So sollte etwa die U35 (Bochum - Herne) bis nach Recklinghausen verlängert werden. Heute ist an der Haltestelle Schloß Strünkede in Herne Endstation.

Wegen der geballten Problematik im Revier appelliert der VDV an NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU), die Erneuerung der Stadtbahnen zum zentralen Thema der Ruhr-Konferenz zu machen. Gerade im Ruhrgebiet habe sich ein erheblicher Sanierungsbedarf bei der Stadtbahn-Infrastruktur aufgebaut, heißt es in einem Schreiben des VDV an Wüst, das der WAZ vorliegt. Ohne die Unterstützung des Landes sei die immense Herausforderung nicht zu bewältigen.

Spekulationen über U-Bahn-Neubau

Denn laut einem VDV-Gutachten sind die Städte und ihre Verkehrsbetriebe maximal in der Lage, ein Viertel der anfallenden Sanierungskosten für ihre Bahnen selbst zu tragen. Der Verband schlägt daher ein neues Fördermodell für den kommunalen ÖPNV vor, das von der reinen Projektförderung zugunsten einer pauschalen Unterstützung abrückt. Bemerkenswert ist zudem, dass sich die elf beteiligten Betriebe schon vorab auf einen Verteilschlüssel möglicher Mittel verständigt haben. Damit solle das sonst übliche Gerangel um Fördermittel im Vorfeld ausgeschlossen werden, heißt es.

Forderungen zum Ausbau bestehender U-Bahn-Systeme beinhaltet das VDV-Papier nicht. VDV-Geschäftsführer Volker Wente regte im Gespräch mit der Redaktion allerdings an, sich angesichts der zugespitzten Verkehrsbelastungen in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet über eine Neubau auch von U-Bahn-Strecken Gedanken zu machen. Die U-Bahn sei das einzige System, das „zuverlässig am Stau“ vorbeifahre.