Essen. . Schulministerin erntet Lob und Kritik für die Pläne, in Zukunft den Englisch-Unterricht in Grundschulen erst ab der dritten Klasse zu geben.
„My Name is Tom. I like dogs.“ Ungefähr so beginnen derzeit die ersten Schritte im Englisch-Unterricht in NRW. Seit 1. September 2009 fangen alle Erstklässler im zweiten Halbjahr mit dem Englischlernen an – jeweils zwei Stunden in der Woche. Kindliche Lernfreude und der Spaß am Sprechen sollen ein rasches Erlernen der neuen Sprache befördern, hieß es.
Englisch für die 1. und 2. Klasse wurde damals von der schwarz-gelben Koalition unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) beschlossen. Nun plant die schwarz-gelbe Koalition unter Armin Laschet offenbar eine Rolle rückwärts. Denn Pläne des NRW-Schulministeriums sehen vor, Englisch nicht mehr von Anfang an zu unterrichten und dafür diese Stunden zusätzlich in der 3. und 4. Klasse zu nutzen.
Zudem sehen die Pläne offenbar vor, in den ersten beiden Klassen dafür mehr Rechnen, Schreiben und Lesen zu unterrichten. Ziel sei „mehr Lernerfolg“ für die Schüler. Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, teilt das Schulministerium mit.
Studie: Früher Unterricht bringt wenig
Eine Studie der Ruhr-Uni Bochum scheint den Schritt der Landesregierung zu stützen. Nach der Analyse der Daten von mehr als 5100 Schülern kamen Nils Jäkel und Prof. Markus Ritter vom Lehrstuhl für Didaktik des Englischen 2017 zu dem Schluss, dass früher Englisch-Unterricht weniger bringt als erhofft. Danach schnitten zwar die Schüler in der fünften Klasse besser ab, wenn sie früh Sprachunterricht erhalten hatten.
Das änderte sich aber mit der siebten Klasse. Nun waren Lese- und Hörverständnis der Schüler besser, die erst in der dritten Klasse begonnen hatten. Für sie war der „Sprachschock“ am Gymnasium nicht mehr so groß.
Probleme in der Praxis
Ritter hat vor dem Hintergrund der Studienergebnisse Verständnis für die Pläne von Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). „Man sollte die Kinder zunächst einmal in der Grundschule ankommen lassen. Dann kann man ab der dritten Klasse verstärkt Englisch unterrichten“, sagte Ritter dieser Redaktion. Allerdings müsse dann die Stundenzahl auf vier pro Woche verdoppelt werden. Ob dies angesichts des akuten Lehrermangels realistisch sei, ließ er offen.
Auch in der Praxis hapere es oft, berichtet Christiane Mika, Vorsitzende des Grundschulverbands NRW und Leiterin der Libellen-Grundschule in der Dortmunder Nordstadt. „An unserer Schule sind in jeder Klasse Kinder, die zunächst einmal Deutsch als Fremdsprache lernen müssen. Das erfordert sehr viel Zeit.“ Diese Kinder seien mit einer weiteren Sprache meist überfordert.
„Uns würde es daher entlasten, wenn der Englisch-Unterricht erst ab der dritten Klasse stattfinden würde“, so Mika. „Es gibt aber durchaus Schulen, die mit Englisch ab der ersten Klasse gut klarkommen“, sagte die Lehrerin. Sie plädiert daher für mehr Entscheidungsfreiraum der Grundschulen im Umgang mit dem Sprachunterricht.
Lehrerverbände beklagen Rolle rückwärts
Ganz anders bewertet die Opposition im Landtag die Pläne von Schwarz-Gelb. „Absurd“ nennt Joachim Ott, Schulpolitischer Sprecher der SPD, die Überlegungen. „Alle Experten sind sich einig, dass beim Lernen einer Sprache gilt: je früher desto besser.“ Ähnlich argumentiert Grundschulleiterin Anne Deimel, stellvertretende Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft VBE: „Die Kinder lernen mit großer Begeisterung in den ersten beiden Grundschuljahren Englisch.“ In dieser Phase falle es ihnen besonders leicht, Sprachen zu lernen.
Kritik kommt auch von der Bildungsgewerkschaft GEW: „Es gibt keine wissenschaftliche Begründung dafür, Englisch erst ab der dritten Klasse zu unterrichten“, sagt Landesvorsitzende Dorothea Schäfer. „Ein späterer Start wäre auch kein Vorteil für Schüler, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Im Gegenteil: Sie freuen sich, weil alle, auch die deutschen Muttersprachler, in Englisch bei null anfangen.“