Düsseldorf. Sogar der “Hambi“ bleibt. NRW ist zufrieden mit dem Kohle-Kompromiss. RWE aber fürchtet ums Braunkohle-Geschäft und warnt vor Jobverlusten

Der Kompromissvorschlag der Kohlekommission zum Ausstieg aus der Kohle-Verstromung bis spätestens 2038 stößt in der NRW-Landespolitik überwiegend auf Zustimmung. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sprach von einer „guten Nachricht“, SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty von einem „beachtlichen Erfolg“. RWE-Vorstand Rolf Martin Schmitz befürchtet allerdings „gravierende Konsequenzen für das Braunkohlegeschäft“ seines Unternehmens.

Die Kommission schlägt einen schrittweisen Abschied von der Kohle vor. Schon bis 2022 könnte die Leistung der Kraftwerke um ein Viertel zurückgefahren werden, der Wandel dürfte NRW also schnell erreichen. NRW und die ostdeutschen Kohle-Länder sollen vom Bund insgesamt 40 Milliarden Euro für den Strukturwandel bekommen. Der Hambacher Forst, Symbol für den Widerstand gegen die Braunkohle, soll erhalten werden. RWE reagierte auch auf diesen Punkt zurückhaltend.

Der Weg zu den Klimazielen

„Die Kommission zeigt einen Weg auf, der die Erreichung der ambitionierten Klimaziele mit der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie und dem Strukturwandel in den betroffenen Regionen verbindet“, erklärte Armin Laschet. Die aus Münster stammende Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sieht im Verhandlungsergebnis auch eine Signalwirkung für andere Länder. „Ich bin wirklich zufrieden“, sagte sie dieser Redaktion. “ Die Kommissions-Mitglieder hätten einen Weg beschrieben, wie Deutschland seine Klimaziele erreichen könne.

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Die NRW-Grünen erkennen in dem Kompromiss einen Erfolg der Umweltschutz- und Klimabewegung und sehen nun die Landesregierung in der Pflicht, die Vorschläge schnell umzusetzen. „Die baldige Abschaltung der Uralt-Kernblöcke im Rheinland ist überfällig. Damit kann der Hambacher Wald erhalten und weitere Umsiedlungen vermieden werden“, sagte der Dürener Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer dieser Zeitung.

Sozialverträglicher Jobabbau gefordert

Die Gewerkschaften loben zwar den Kompromiss, mahnen aber einen sozialverträglichen Ausstieg aus der Braunkohle an. „Wir dürfen nicht übersehen, dass der Vorschlag tiefe Einschnitte für die betroffenen Arbeitnehmer im Rheinischen Revier vorsieht“, warnte Anja Weber, NRW-Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Daher müsse ein großer Teil der Strukturhilfen des Bundes nach NRW fließen.

SPD und Grüne schlagen vor, das Ruhrgebiet bei den Verhandlungen um Unterstützung nicht außen vor zu lassen. „Der Strukturwandel an der Ruhr ist noch nicht zu Ende“, sagte NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann. Landesteile, die Hilfe benötigten, dürften bei den Verhandlungen nicht gegeneinander gestellt werden.

Auch aus der Sicht der Grünen-Landesvorsitzenden Mona Neubaur und der grünen Landtags-Fraktionschefin Monika Düker muss das Ruhrgebiet unbedingt mit berücksichtigt werden. Sie werfen Armin Laschet vor, das Revier bisher in dieser Diskussion außen vor gelassen zu haben, obwohl diese Region ebenfalls vom Kohleausstieg betroffen ist. Die Ruhrkonferenz müsse hier nachbessern.

Gewerkschafts-Chefin Anja Weber sieht diese Verknüpfung zwischen dem Rheinischen Braunkohle- und dem Steinkohlerevier kritisch. Sie wirkt selbst an der Ruhrkonferenz mit und fordert getrennte Verhandlungen für das Ruhrgebiet. „Das Revier braucht zusätzliche Mittel für den Strukturwandel“, sagte sie. Die Ruhrkonferenz müsse selbstständig für dieses Geld verhandeln.

Klimaaktivisten pfeifen auf den Kompromiss

Vielen Klimaaktivisten geht der nun ausgehandelte Ausstieg aus der Braunkohle nicht schnell genug. Das Bündnis „Ende Gelände“ plant für die kommende Woche neue Proteste in NRW, zum Beispiel in Essen, Köln, Bielefeld und Bonn. „Noch 20 Jahre Kohlekraft sind 20 Jahre Kohlekraft zu viel. Dem stellen wir uns entgegen“, kündigte die Sprecherin des Bündnisses am Wochenende an. Der Erhalt des Hambacher Forster und zahlreicher Dörfer im Rheinischen Revier sei noch nicht gesichert. Auch Greenpeace kritisierte das Tempo des Ausstiegs. Das Zieljahr 2038 sei „inakzeptabel“.

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) regierte hingegen optimistisch auf die Vorschläge der Kohlekommission. Sie schafften „die Voraussetzung dafür, dass aus der Jahrhundertaufgabe des beschleunigten Ausstiegs aus der Kohleverstromung eine Jahrhundertchance für das Rheinische Revier und NRW insgesamt werden kann“, sagte Pinkwart. Nun könne das Rheinische Revier innovative Projekte schnell auf den Weg bringen und Vorbild für den gelingenden Strukturwandel in den europäischen Kohleregionen werden.