Köln. . NRW hat die meisten Brücken bundesweit. Viele müssen komplett erneuert werden. Die finanziellen Voraussetzungen für den Ausbau sind gut.

Unten bröckelt der Beton, oben stauen sich die Lastwagen: Wer das Brückendrama auf den Fernstraßen in NRW erleben will, braucht sich nur bis zur Rheinbrücke Leverkusen vorzuarbeiten. Das in den 1960er-Jahren errichtete Bauwerk, Teil der Autobahn A1, ist zum Inbegriff der desolaten Infrastruktur in Deutschland geworden. Seit Jahren dürfen schwere Lkw dieses wichtige Nadelöhr des Fernstraßennetzes nicht mehr passieren. Pkw müssen ihre Fahrt auf Tempo 60 drosseln. Das wird bis mindestens 2020 so bleiben. Geht alles gut, soll bis dahin zumindest eine Hälfte des Neubaus stehen.

Brücken-Besichtigung vom Schiff aus

Die Tour auf der MS Loreley führte direkt unter dieses Sinnbild des NRW-Brückendramas. 150 Verkehrsexperten, Ingenieure, Vertreter der zuständigen Ministerien, aber auch Verantwortliche betroffener Unternehmen besonders aus der Logistikbranche nahm das Rheinschiff am Dienstag mit an Bord.

Der Landesbetrieb Straßen.NRW hatte für sein erstes landesweites „Brücken Forum“ zu einer Rheinfahrt eingeladen. Die Leverkusener Brücke im Blick, diskutierten die Experten vier Stunden lang über ein ernstes Thema: „Droht NRW ein Brückenchaos?“ Zumindest Straßen.NRW-Chefin Elfriede Sauerwein-Braksiek mochte diese Frage mit einem klaren „Nein“ beantwortete. „Wir tun alles Menschenmögliche, um unsere Brücken sicher zu halten“, sagte sie zum Auftakt der behördlich organisierten Flusstour.

Bund stellt Milliarden zur Verfügung

Tatsächlich sind zumindest die finanziellen Voraussetzungen für den Ausbau der Verkehrswege derzeit so gut wie lange nicht mehr. Nach der Rekordsumme von 1,25 Milliarden Euro im vergangenen Jahr, stehen den NRW-Straßenbauern in diesem Jahr sogar 1,36 Milliarden Euro aus dem Bundesverkehrswegeplan zur Verfügung. „Zum wiederholten Male ist es damit gelungen, von anderen Bundesländern nicht abgerufene Bundesmittel nach NRW zu holen“, betonte Sauerwein-Braksiek. Bis 2022 werde ein Drittel aller Bundesgelder für den Brückenbau nach NRW fließen.

Die Herausforderungen sind allerdings gewaltig. Genau 10.184 Brücken liegen in der Obhut von Straßen.NRW, nahezu ein Viertel aller Brücken bundesweit. 1100 der NRW-Brücken sind Großbauwerke oder liegen an zentralen Verkehrsachsen. Sie stehen unter besonderer Beobachtung der rund 80 auf Brücken spezialisierten Bauwerksprüfer bei Straßen.NRW. „Zwei Drittel dieser Brücken müssen kurz- bis mittelfristig neu gebaut werden“, sagte Sauerwein-Braksiek

Keine akute Einsturzgefahr

Hendrik Schulte, Staatssekretär im NRW-Verkehrsministerium betonte, dass alle Brücken in NRW sicher seien. „Wir haben keine maroden Brücken im wörtlichen Sinn“, sagte er mit Blick auf die Brücken-Katastrophe von Genua. In der italienischen Hafenstadt war im August eine Autobahnbrücke eingestürzt, 43 Menschen kamen ums Leben. Genua hatte auch hierzulande die Debatte über die Standfestigkeit der vielen Straßenbrücken befeuert.

Angesichts der zahlreichen Brücken-Baustellen warnten Vertreter der Logistikbranche am Montag vor einem Schaden für den Wirtschaftsstandort NRW. Das Problem: Die Transporte werden immer größer und schwerer. Die Anträge für genehmigungspflichtige Schwerlasttransporte haben sich laut Straßen.NRW seit 2010 auf 200.000 nahezu verdreifacht. Nach einer Prognose soll der Güterverkehr in den kommenden zwölf Jahren weiter zunehmen: um fast 40 Prozent.

Ein bundesweites Problem

>>>>>Die Brücken-Misere ist auch ein bundesweites Phänomen. Im Zuge des Brückenmodernisierungsgesetzes hat das Bundesverkehrsministerium rund 10.000 Brückenbauwerke lokalisiert, die an den großen Transitstrecken erneuert werden müssen, darunter die großen Rheinbrücken in NRW. Insbesondere beim Großbrückenbau werde der Bund seine Investionen bis 2022 auf 950 Millionen Euro hochfahren, sagte Georg Marzahn, Brückenexperte aus dem Bundesverkehrsministerium.